Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens
der Damen am Hof von Ludwig dem Vierzehnten maximal dreiunddreißig Zentimeter betragen durfte? Und dass ihre Garderobe zwischen vierzehn und dreißig Kilo gewogen hat?«
O’Shaugnessy schnappte nach Luft. Das Tempo, mit dem Pendergast das Thema wechselte, machte ihn schwindelig. »Ich fand es auch höchst interessant, dass im fünfzehnten Jahrhundert der Hosenbeutel eines Mannes …«
Er wurde von kreischenden Bremsen unterbrochen, als der Fahrer im letzten Moment die Kollision mit einem Taxi vermeiden konnte, das über drei Fahrbahnen nach rechts zog. »Immer diese Yankeemanieren!«, sagte Pendergast mit mildem Tadel. »Wo war ich gerade? O ja, beim Hosenbeutel …« O’Shaugnessy fragte sich deprimiert, wie lange er sich das Gerede noch anhören musste. Die Aussichten waren eher düster, der Verkehr in der Innenstadt wurde zunehmend dichter und zähflüssiger.
Die Halle des Metropolitan Museums war mit riesigen Blumenarrangements geschmückt und wie üblich proppenvoll. O’Shaugnessy blieb ein paar Schritte zurück, während der Agent mit einer Volontärin am Informationspult sprach. Siegriff zum Telefon, zog irgendwo Erkundigungen ein und sah danach leicht irritiert aus. Was O’Shaugnessy daran erinnerte, dass er überhaupt noch nicht wusste, was Pendergast eigentlich hier wollte.
Er sah sich um. Lauter Upper-East-Side-Publikum, Damen in klickenden High Heels, Kinder gut betuchter Eltern in Schuluniformen, Akademiker mit gepflegten Manieren und den Mienen Eingeweihter. Einige Besucher starrten ihn missbilligend an, als wäre es ungehörig, im Met in Polizeiuniform herumzustehen. Er spürte, dass er drauf und dran war, zum Menschenfeind zu werden. Blasiertes Volk!
Pendergast winkte ihn zu sich und führte ihn durch einige Ausstellungsräume, vorbei an Statuen, Gemälden, Vasen und Mumien. Er erzählte den ganzen Weg über irgendetwas, aber weil überall geredet wurde und sie immer wieder um Besuchergruppen herumkurven mussten, bekam der Sergeant außer ein paar Wortfetzen nicht viel mit.
Zu guter Letzt kamen sie in die Abteilung für asiatische Kunst, wo das Gedränge nicht ganz so groß war. Der Agent steuerte auf eine Metalltür zu, hinter der ein Empfangsraum lag. Das ausnehmend hübsche Mädchen am Schreibtisch machte große Augen und starrte etwas indigniert auf O’Shaugnessys Uniform. Der Sergeant bedachte sie mit einem finsteren Blick.
»Kann ich Ihnen weiterhelfen?«, fragte das Mädchen Pendergast, ließ O’Shaugnessy aber nicht aus den Augen.
»Sergeant O’Shaugnessy und Special Agent Pendergast. Wir möchten zu Frau Dr. Wellesley.«
»Haben Sie einen Termin vereinbart?«
»Leider nicht.«
»Nun, dann …« Sie zögerte. »Special Agent – wie?«
»Pendergast. FBI.«
Sie wurde vor Aufregung rot und griff zum Telefon. Die Gegenstelle musste direkt nebenan liegen, man hörte es hinter der Wand läuten. »Dr. Wellesley? Hier sind Special AgentPendergast vom Federal Bureau of Investigation und ein Police Officer, die Sie sprechen wollen.«
Die räumliche Nähe sorgte für eine Art Halleffekt, sie hörten die Kuratorin durch die Wand und aus der Telefonanlage. »Ich bin beschäftigt, Heather. Wenn die beiden nicht vorhaben, mich zu verhaften, sollen sie sich gefälligst einen Termin geben lassen.« So kühl und very British, dass sich O’Shaugnessy die Nackenhaare sträubten.
Das Mädchen am Schreibtisch blinzelte nervös. »Ich soll Ihnen ausrichten …«
Aber da war Pendergast bereits auf dem Weg zur Verbindungstür. Das gefällt mir schon viel besser, dachte O’Shaugnessy, als der Agent die Tür öffnete und mit beiden Beinen auf der Schwelle stand.
»Aha, die typische Coppermanier«, sagte Wellesley sarkastisch, »gleich den Fuß in die Tür. Ihr Pech, dass sie nicht verschlossen war, dann hätten Sie sie eintreten können.« Pendergast ließ unbeeindruckt seinen warmen, honigsüßen Charme spielen. »Dr. Wellesley, ich bin hier, weil Sie eine weltweit anerkannte Expertin für historische Gewänder sind. Erlauben Sie mir zu sagen, dass ich Ihre Identifizierung der in den Ruinen von Verjina gefundenen Peplos spannender fand als jeden Thriller.«
Sie war einen Moment lang verdutzt, dann sagte sie kühl:
»Mit Schmeicheleien erreichen Sie bei mir nichts.«
O’Shaugnessy sah sich in dem kleinen, stilvoll eingerichteten Büro um. Die Möbel schienen Leihgaben aus dem Museumsfundus zu sein. Die Aquarelle an den Wänden beeindruckten ihn besonders. Opernkostüme aus dem
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