Pendergast 05 - Burn Case - Geruch des Teufels
zahlreichen anderen chronischen Erkrankungen, die auf Alkoholmissbrauch und Unterernährung zurückzuführen sind.«
»Sonst nichts?«
»Nein, das war alles. Keine Spuren von Gift oder Drogen in den Blutzellen.«
»Auch keine Einwirkung durch starke Hitze?«
»Was meinen Sie damit?«
»Gab es keinerlei Anzeichen dafür, dass der Körper einer tödlich wirkenden Hitzestrahlung ausgesetzt war?«
»Nein, nicht im Geringsten. Starke Hitze hätte zu einer Veränderung der Zellen geführt, so etwas kann man nicht übersehen. Ich habe vierzig, vielleicht sogar fünfzig Gewebeproben genommen, aber keine Veränderung erkennen können, die eine solche Vermutung nahe legt. Um ehrlich zu sein, Mr Pendergast, ich halte Ihre Frage für absurd und äußerst befremdlich.«
Ohne die Stimme zu heben, fragte Pendergast: »Doktor, diese Form des Lungenkrebses, wie Beckmann sie hatte, wird fast ausschließlich durch Nikotinmissbrauch hervorgerufen, nicht wahr?«
»So ist es.«
»Und Sie schließen jede andere Todesursache aus?«
Es war wohl der skeptische Tonfall, der den Pathologen die Nerven verlieren ließ. Er raffte ein paar der braunen Klumpen zusammen und hielt sie Pendergast hin. »Wenn Sie mir nicht glauben wollen, Mr Pendergast, dann glauben Sie den Tatsachen! Hier – riechen Sie daran, fassen Sie das verklumpte Gewebe an! So wahr ich hier stehe, Mr Pendergast, es gibt absolut keinen Zweifel daran, dass es der Krebs war, der Beckmann umgebracht hat!«
Es war ein langer, stummer Fußmarsch bis zu der Stelle, an der Pendergast den Wagen geparkt hatte. Er hatte heute auf Proctors Dienste verzichtet, rutschte hinters Lenkrad und steuerte den Rolls durch das in graues Morgenlicht gehüllte Verkehrsgewühl. D’Agosta kam es wie eine kleine Ewigkeit vor, bis Pendergast endlich etwas sagte.
»Habe ich nicht Recht gehabt, Vincent? Ranier Beckmann hatte uns tatsächlich viel zu erzählen.«
»Ja. Und er hat dabei einen üblen Gestank verbreitet.«
»Was er uns zu sagen hatte, war, wie ich zugeben muss, einigermaßen überraschend. Nichtsdestoweniger werde ich dem wackeren Doktor ein paar Dankeszeilen schicken.«
Er riss den Rolls scharf herum und fuhr an der Auffahrt zur Schnellstraße nach New York City vorbei. D’Agosta sah ihn verblüfft an. »Wollen wir nicht zurück?«
Pendergast schüttelte den Kopf. »Jeremy Grove ist vor genau zwei Wochen gestorben, Cutforth vor einer Woche. Wir sind nach Yonkers gefahren, um Antwort auf unsere Fragen zu bekommen. Ich gehe nicht, ehe wir sie gefunden haben.«
45
Der Bus quälte sich im Schneckentempo durch den dichten Verkehr. New York City, dachte Reverend Wayne P. Buck. Er war froh, als der lange, weiß gekachelte Tunnel, in dem er ein wenig Platzangst verspürt hatte, hinter ihm lag und er durch das Netz aus Stahlgittern im fahlen Morgenlicht flüchtig die Silhouette des einen oder anderen Wolkenkratzers ausmachen konnte.
Eine schwer zu beschreibende Mischung aus Emotionen bewegte ihn: freudige Erregung, keimende Angst, das Gefühl, einer unbekannten Welt ausgeliefert zu sein. Es waren im Grunde ganz ähnliche Empfindungen wie die am Tag seiner Entlassung aus dem Gefängnis, nachdem er neun Jahre wegen Totschlags abgesessen hatte. Er war da ganz langsam reingeschlittert. Angefangen hatte es damit, dass er keinen vernünftigen Job gefunden hatte, dann kleinere Diebstähle, Alkohol, ein paar geknackte Autos, den einen oder anderen Banküberfall und schließlich der schicksalhafte Tag, als alles schief lief und er den Nachtwächter eines Kaufhauses erschoss. Während der Bus sich weiter durch den dichten Verkehr schob, erinnerte er sich an den Rest: die Festnahme, die Gerichtsverhandlung, das Urteil zu fünfundzwanzig Jahren Haft, der Gang in Hand- und Fußketten in die Tiefe des Gefängnisses; eine Zeit der Dunkelheit, die man besser vergaß. Und dann war der Tag seiner Bekehrung gekommen, die Wiedergeburt im Gefängnis, als Jesus einen anderen Menschen aus ihm gemacht und dasselbe Wunder an ihm geübt hatte wie an der Hure Maria Magdalena. Nach seiner Bekehrung fing er an die Bibel zu lesen, das Alte Testament und das Neue, wieder und wieder. Und bald darauf begann er, den Menschen von Jesus zu erzählen. Predigen nannte er das im Stillen, auch wenn es nur um ein paar gute Worte und hin und wieder eine hilfreiche Hand ging. Eine Gruppe Gleichgesinnter scharte sich um ihn – Menschen, die ein offenes Ohr für das Wort des Herrn hatten und sich lieber mit Schachspiel die
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