Pendergast 05 - Burn Case - Geruch des Teufels
Zeit vertrieben, als vor der Glotze zu sitzen oder in billigen Romanheften zu blättern, in denen doch nur von Gewalttätigkeiten und Sex erzählt wurde.
Je näher der Tag seiner Haftentlassung auf Bewährung rückte, desto deutlicher spürte er, dass Gott Großes mit ihm vorhatte und es ihm zu gegebener Zeit offenbaren werde. Als sich die Gefängnistore hinter ihm geschlossen hatten, pilgerte er von einer Kleinstadt zur anderen, meist entlang der Grenze von Kalifornien und Arizona, predigte den Menschen das Wort Gottes und überließ es im Übrigen dem Herrn, ihm das zukommen zu lassen, was er an Kleidung und Nahrung brauchte. Er bildete sich durch eifriges Lesen, verschlang die Bücher von John Bunyan, Augustinus und Dante und wartete geduldig auf die Berufung durch den Herrn.
Und ganz unverhofft, als er es gar nicht erwartete, erreichte ihn der ersehnte Ruf, und Gott enthüllte ihm seinen Plan. Zunächst war Buck verblüfft, denn woher hätte er ahnen sollen, dass Gott seine Schritte ausgerechnet nach New York City lenken wollte – das Zentrum all derer, denen das Gespür für den wahren Glauben längst vor lauter Geschäftigkeit bei der Jagd auf den schnöden Mammon verloren gegangen war? Aber Gottes Wege sind eben wunderbar. Warum sollte er, der den Apostel Paulus nach Rom, ins schwarze Herz des Heidentums, geschickt hatte, nicht auch Wayne P. Buck nach New York schicken? Plötzlich hielt der Bus an. Die Bordsprechanlage krächzte irgendetwas Unverständliches, offenbar hatten sie das Busdepot und damit die Endstation erreicht. Zischend öffneten sich die Türen. Alle stiegen aus, wer mehr als Handgepäck dabeihatte, musste sich mit Geduld wappnen, bis der Busfahrer die Koffer aus dem Stauraum geholt hatte. Wayne P. Buck blieben derlei Mühen erspart, wer nicht einmal einen Penny einstecken hat, ist frei wie ein Vogel. Und da er kein festes Ziel hatte, schloss er sich einfach denen an, die mit ihrem Handgepäck auf einen der vielen Fahrstühle zusteuerten und in eine riesige Abfertigungshalle hinunterfuhren. Augenblicke später fand er sich im Freien wieder, auf dem Bürgersteig einer breiten Straße. Er blieb stehen und schaute sich um. Verzweiflung befiel ihn und vermischte sich mit dem religiösen Eifer, den er eben noch so klar verspürt hatte.
Und als ich durch die Wüste wanderte, kamen ihm die Worte der Heiligen Schrift in den Sinn. Vierzig Tage und vierzig Nächte hatte Jesus in der Wüste verbracht und war vom Teufel in Versuchung geführt worden. Und wahrlich, dies war die Wüste des einundzwanzigsten Jahrhunderts: eine Ödnis menschlicher Seelen.
Buck lief auf gut Glück los, Jesus würde ihm schon den Weg weisen, dessen war er sicher. Auf den Bürgersteigen drängten sich Menschen, aber niemand nahm von ihm Notiz. Prachtvolle Boulevards wechselten sich mit dunklen Hinterhofschluchten ab, manchmal erinnerte das Gewirr scheinbar sternförmig ineinander verschlungener Straßen an ein Labyrinth. Sooft er von Zeit zu Zeit einen Blick auf die Wolkenkratzer warf, verspürte er Trauer und Mitleid bei dem Gedanken, dass all das bald dem Untergang geweiht sein sollte. Aber wer weiß, vielleicht galt der böse Fluch nicht allen? Er musste nur in die Gesichter der Entgegenkommenden blicken, um zu ahnen, dass es unter ihnen auch Gerechte gab. Und die Gerechten würde Gott erretten, wie er es schon in Sodom und Gomorra getan hatte.
Um sich selbst musste Buck nicht bangen. Der Herr hatte ihm eine Aufgabe zugedacht, und so vertraute er darauf, dass Gott ihm zur Erfüllung der Aufgabe auf seiner Wanderung durch die Wüste der Großstadt dieselbe Spanne Zeit zubilligen werde, um die Jesus bei seiner Wüstenwanderung den Vater im Himmel gebeten hatte. Und das waren – wie es im Buch der Bücher geschrieben stand – vierzig Tage und Nächte gewesen.
Er war hungrig. Das Busticket hatte ihn seinen letzten Cent gekostet, sodass er sich unterwegs nichts hatte kaufen können. Auf seine Weise schärfte der Hunger seinen Verstand. Aber wenn er Gottes Werkzeug sein wollte, so musste er seinen Körper stärken.
Sein Weg brachte ihn zu einer Suppenküche der Heilsarmee. Dort ließ er sich, nachdem er geduldig in der Schlange angestanden hatte, an einem der Tische nieder und aß einen Teller Makkaroni mit Käse und einige Scheiben trockenes Brot. Beim Essen überflog er noch einmal den Artikel aus der New York Post und sah sich in der Überzeugung bestärkt, dass Gott ihm eine Mission zugedacht hatte, und so war es seine
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