Pendergast 05 - Burn Case - Geruch des Teufels
Bewegungen über das polierte Holz und öffnete es. Ein Hauch von altem Holz und Pferdehaar stieg ihm in die Nase. Der Geruch erinnerte ihn an ein teures, ein wenig abgestandenes Parfüm, er sog ihn gierig auf. Mit bebenden Fingern tastete er in das Dunkel des Kästchens und streichelte geradezu andächtig dessen Inhalt. Er wagte nicht, es herauszunehmen. Das blieb anderen vorbehalten. Anderen, die es nie wieder sehen würden, wenn er Erfolg hatte …
Ein plötzlicher Anfall von Bedauern, Wut, Furcht und Hilflosigkeit ließ ihn fast die Besinnung verlieren. Unglaublich, dass allein ein Gedanke ihn auf die Knie zu zwingen vermochte. Er atmete tief ein und stützte sich schwer auf den Tisch. Er musste tun, was zu tun war.
Er schloss das Kästchen und stellte es so auf den Boden, dass es innerhalb des kleineren Kreises stand. Wieder ein rascher Blick auf die Uhr, deren Schlagwerk gerade die Viertelstunde verkündete. Der Glockenschlag kam ihm etwas dumpf vor, aber das beruhte wohl auf Einbildung. Dennoch merkte er, dass ihm der Schweiß ausbrach, er wischte ihn rasch mit dem Ärmel weg.
Der Rest war schnell getan, es kostete ihn gerade mal neunzig Sekunden, die Beschwörungsformel aufzusagen. Doch fürs Erste tat sich nichts. Bullard lauschte angestrengt ins Dunkel. Nichts war zu hören. War ihm etwa bei der Beschwörungsformel ein Fehler unterlaufen? Er starrte auf die aufgeschlagene Seite des alten Pergaments. War es ratsam, die Formel vorsichtshalber zu wiederholen? Keinesfalls!, rief er sich zur Ordnung. Beschwörungsformeln mussten in einem Atemzug, also ohne irgendeine Unterbrechung oder Ablenkung, aufgesagt werden, jeder Verstoß gegen diese Regel könnte unvorhersehbare Folgen haben! Er wartete, starrte ins Dunkel und wurde von Sekunde zu Sekunde nervöser. Und plötzlich spürte er, dass sich die Luft irgendwie verändert hatte. Ein fremder Geruch begann sich in dem Salon auszubreiten, rings um ihn roch es scharf nach Schwefel. Eine Brise raschelte in den Vorhängen der offenen Fenster, und er hätte schwören können, dass das ohnehin spärliche Licht zunehmend von geheimnisvoller Dunkelheit getränkt wurde. Bullard zitterte vor Erregung und keimender Angst. Aber er hätte den Augenblick um nichts auf der Welt missen wollen.
Es war so weit! Die Beschwörungsformel tat ihre Wirkung, alles lief so ab, wie er es sich erhofft hatte!
Bullard wartete, wagte kaum zu atmen. Der scharfe Geruch wurde stärker, es war ihm, als zögen beißende Schwefelschwaden durch das Zimmer. Er verspürte eine starke innere Erregung.
Bullard stand mit klopfendem Herzen in dem größeren der beiden Kreise und versuchte, einen Blick in den vor ihm liegenden dunklen Flur zu erhaschen. Und tatsächlich: War da nicht ein vager Umriss, eine Gestalt, die gemessenen Schritts auf ihn zukam?
Er hatte es geschafft. Er hatte gewonnen. Der Fürst der Finsternis folgte tatsächlich seinem Ruf …
57
D’Agosta war wie vor den Kopf geschlagen. Erst der Schuss, danach Stille und schließlich der Absturz ins Wasser – das Ende aller Hoffnungen.
»Los, komm!«, forderte sein Bewacher ihn auf und rammte ihm, als D’Agosta nicht sofort reagierte, den Gewehrlauf in den Nacken. »Beweg deinen faulen Arsch!«
Der Sergeant stolperte vorwärts. Der faulige Gestank des offenen Minenschachtes stieg ihm in die Nase. Sechs Schritte, acht, ein Dutzend.
»Halt!«
Jetzt spürte er, wie sich die abgestandene Luft um ihn ausbreitete. Alles war unnatürlich klar, und die Zeit kroch dahin. Mein Gott, soll ich wirklich in dieser Einöde verrecken? Er spürte, wie der Gewehrlauf sich hart an seinen Schädel legte, und presste instinktiv die Augen fest zusammen, obwohl die Augenbinde ohnehin längst einen Blinden aus ihm gemacht hatte. Er betete stumm um ein schnelles Ende. Und endlich fiel der Schuss, ohrenbetäubend laut. Er fiel vornüber …
Aber da war auf einmal ein Arm, der ihn fest umklammert hielt und vom Abgrund wegriss. Der Arm ließ ihn los. D’Agosta stürzte zu Boden. Einen Augenblick später hörte er einen Körper tief unten auf einer Wasserfläche aufschlagen.
»Vincent?«
Das war Pendergast. Ein schlitzendes Geräusch löste seine Augenbinde. Ein weiteres den Knebel. D’Agosta blieb regungslos liegen.
»Kommen Sie zu sich, Vincent!«
Langsam tastete D’Agosta sich in die reale Welt zurück. Pendergast stand neben ihm, fesselte einen Mann, den er nie gesehen hatte, an einen Baum und knebelte ihn.
»Wie ist denn … was ist denn
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