Pendergast 05 - Burn Case - Geruch des Teufels
Luft. Es war deutlich zu spüren, dass der Mord, vor allem aber seine bizarren Umstände, die Gedanken der Anwesenden beherrschte.
»Willkommen beim Nucleo Investigativo, der Eliteeinheit der Carabinieri, die mir untersteht. Wir untersuchen hier die Kapitalverbrechen.« Esposito machte aus seinem Stolz keinen Hehl. Dann wandte er sich an D’Agosta. »Sie besuchen Italien zum ersten Mal, nicht wahr, Sergeant?«
»So ist es.«
»Und? Gefällt es Ihnen bei uns?«
D’Agosta zögerte einen Moment. »Ehrlich gesagt, manches habe ich mir anders vorgestellt.«
»Aber schön ist es, das werden Sie doch zugeben?«
»Zumindest von hier oben.«
Esposito verdrehte die Augen. »Ach, die Florentiner! Sie werden nie aufhören, in der Vergangenheit zu leben. Sie nehmen für sich in Anspruch, dass alles Schöne auf der Welt von ihnen geschaffen wurde, angefangen von der Kunst über die Musik bis zur Literatur. Wenn ihnen das alles schon gehört, warum sollten sie sich noch mehr wünschen? Da, wo ich aufgewachsen bin, haben wir ein Sprichwort: Nun cagnà ’a via veccia p’a nova, ca saie chello che lasse, nun saie chello ca trouve. «
»Lebe nicht in der Vergangenheit – sonst weißt du nur, was du verloren, nicht aber, was du gewonnen hast«, übersetzte D’Agosta.
Esposito sah ihn groß an, dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. »Stammt Ihre Familie etwa aus Neapel?«
D’Agosta nickte.
»Bemerkenswert. Und Sie sprechen Neapolitanisch?«
»Ich wuchs auf im Glauben, ich spräche Italienisch.«
Esposito lachte. »Das ist nicht das erste Mal, dass ich so etwas höre. Aber schätzen Sie sich glücklich, Sergeant. Sie sprechen eine wunderbare alte Sprache, die leider an der Schule nicht mehr gelehrt wird. Italienisch kann ein jeder lernen, aber um Neapolitano zu sprechen, muss man ein Mann sein. Ich stamme selbst aus Neapel. Zugegeben, vernünftig arbeiten kann man in dieser Stadt nicht, aber dafür lässt sich’s dort um so angenehmer leben.«
» Si suonne Napele viato a te « , fiel D’Agosta ein. Esposito sah ihn verblüfft an. » Gesegnet seist du, der du von Neapel träumst. Welch wunderschöner Spruch. Noch nicht einmal ich habe ihn zuvor gehört.«
»Meine Großmutter hat mir das immer vor dem Gutenachtkuss ins Ohr geflüstert.«
»Und? Haben Sie dann von Neapel geträumt?«
»Manchmal träumte ich von einer Stadt, von der ich glaubte, es sei Neapel, aber ich bin mir sicher, dass es alles meiner Fantasie entsprang. Ich bin nie dort gewesen.«
»Dann fahren Sie lieber auch nicht hin. Leben Sie weiter mit Ihrem Traum, Träume sind ohnehin meist schöner als die Realität.«
Esposito wandte sich zu Pendergast um. »Und nun zum Geschäft, wie ihr Amerikaner zu sagen pflegt.« Er führte sie zu einer kleinen Sitzgruppe, bat seine Sekretärin, ihnen einen Kaffee zu bringen, und bot dem Agent und dem Sergeant Zigaretten an. Beide winkten höflich ab.
»Es ist ein Kreuz mit euch Amerikanern!«, seufzte Esposito.
»Ihr seid alle so gesundheitsbewusst!« Er zündete sich eine Zigarette an und inhalierte gierig ein paar Züge. »Was glauben Sie, was heute Morgen zwischen sieben und acht alles los war! Anrufe über Anrufe! Die Amerikanische Botschaft in Rom, weitere sechs Anrufe von amerikanischen Dienststellen, darunter das Außenministerium, danach zweimal die New York Times, einmal die Washington Post, einmal die Chinesische Botschaft in Rom und schließlich jemand aus Bullards Büro. Wirklich, ohne Kaffee und Zigaretten hätte ich die Tortur nie durchgestanden, schon gar nicht am frühen Morgen!«
»Wissen Sie, wer der Anrufer aus Bullards Büro war?«, fragte Pendergast.
»Irgendein Trottel unter meinen Leuten hat versäumt, sich den Namen zu notieren. Ein paar von ihnen drehen allmählich durch. Die Hälfte faselt nur noch davon, dass sich der Teufel Bullard geholt habe, die andere Hälfte hält es für die Tat eines Geheimbundes. Der florentinische Adel verfügt ja über einige.« Nach wiederum ein paar hektischen Zügen fügte er hinzu: »Ich dagegen glaube eher, dass der Mord von einem abartig veranlagten Witzbold begangen wurde.«
Pendergast schüttelte den Kopf. »Ganz im Gegenteil, Colonnello, dem Mörder ist es bitterernst.«
Der Colonnello sah ihn mit schief gelegtem Kopf an. »Irgendwie kann ich mich des Verdachts nicht erwehren, dass Sie bereits eine Theorie über die Umstände von Bullards Tod entwickelt haben. Falls es so ist, wäre es sehr freundlich von Ihnen, Ihr Wissen
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