Pendergast 05 - Burn Case - Geruch des Teufels
sehen. Ein Mann um die sechzig, schätzte er, mit ausgeprägten Wangenknochen, einem gespaltenen Kinn und tief liegenden Augen. Seine Bewegungen sprachen von einer langen Zeit beim Militär.
»Wer ist Ihr Ansprechpartner bei den örtlichen Behörden?«
»Commissario Simoncini.«
»Aha.« Und nach einer kurzen Pause fragte er: »Welche Schlüsse ziehen Sie eigentlich aus diesem … Vorfall?«
»Das ist der dritte Mord unter annähernd vergleichbaren Umständen. Die beiden ersten wurden in New York begangen.«
Ein zynisches Lächeln huschte über Espositos Gesicht. »Ich sehe schon, wir haben eine Menge Gesprächsstoff, Special Agent Pendergast. Ich kenne da ein hübsches kleines Café an der Borgo Ognissanti, ganz in der Nähe des Polizeipräsidiums. Treffen wir uns doch dort morgen früh um acht Uhr. Ganz inoffiziell, natürlich.«
»Es wird mir ein Vergnügen sein, Colonnello.«
Esposito nickte zufrieden. »Und nun möchte ich Sie bitten, den Tatort zu verlassen. Im Übrigen werde ich Ihre Anwesenheit in meinem offiziellen Bericht nicht erwähnen.« Er lächelte breit. »Die Tatsache, dass das FBI ein Verbrechen auf italienischem Boden meldet … nun ja, das macht sich nicht gut.«
Er reichte ihnen zum Abschied die Hand. Als er am Altar vorüberging, bekreuzigte er sich so rasch, das D’Agosta später nicht mit Gewissheit sagen konnte, ob er es tatsächlich getan hatte.
60
D’Agosta hatte im Laufe der Jahre schon viele Polizeizentralen und sogar einige Präsidien gesehen, aber das Gebäude, das sich schlicht als Kaserne der Carabinieri von Florenz ausgab, übertraf seine kühnsten Vorstellungen. Ein Renaissancebau, soweit er das beurteilen konnte, eingezwängt zwischen mittelalterlich anmutende, von Touristen wimmelnde Gassen und die altehrwürdige Kirche Ognissanti. Sie hatten sich, wie verabredet, mit dem Colonnello im nahe gelegenen Café getroffen. Pendergast hatte ihn auf den aktuellen Stand ihrer Ermittlungen gebracht, wobei er das ein oder andere Detail ausließ, wie D’Agosta bemerkte. Nun waren sie auf dem Weg zu seinem Büro, was freilich zunächst bedeutete, dass sie sich durch die geballten Scharen schnatternder, mit Kameras klickender Japaner schlängeln mussten. Der Colonnello führte sie durch den mächtigen Bogengang der Polizeikaserne zu einem überdachten, mit stellenweise schon abblätternden religiösen Fresken geschmückten Innenhof und erzählte, dass dieser Teil des Gebäudes einst das Mönchskloster gewesen sei.
»Mit direktem Zugang zur Kirche Ognissanti«, fügte er hinzu. »Heute werden die ehemaligen Mönchszellen als Büroräume genutzt. Sie sind nicht sonderlich komfortabel, aber in Italien bescheiden wir uns mit dem, was wir haben. Da drüben …«, er deutete auf ein Gewölbe, »ist das ehemalige Refektorium, in dem die Mönche ihre Mahlzeiten eingenommen haben. Es beherbergt ein bedeutendes Fresko von Ghirlandaio, von dem nie jemand Notiz nimmt.«
Am Ende des langen Wandelganges stiegen sie ein paar Treppenstufen hoch, durchquerten einige voll gestellte Zimmer, in denen es nach Moder und überhitzten Faxmaschinen roch, und standen schließlich vor einer unscheinbaren, nur mit einer Nummer markierten Tür. Esposito lächelte. Mit unnachahmlicher Grandezza stieß er die Tür auf und bat sie hinein.
D’Agosta war fast geblendet von der Lichtfülle, der er sich unversehens ausgesetzt sah. Durch die verglasten Wände bot sich ihm ein weiter Blick nach Süden über den Arno. Magisch angezogen von der Aussicht trat er an die Fensterfront. Endlich. Von hier oben sah Florenz so aus, wie er sich die Stadt vorgestellt hatte. Eine Kirchenkuppel reihte sich an die andere, darunter duckten sich die roten Dächer. Hier und da spitzelte eine kleine Piazza, ein gepflegter Garten oder einer der trutzigen Geschlechtertürme hervor. Und das alles war von steil ansteigenden grünen Hügeln eingerahmt, auf deren Kuppen sich märchenhafte Burgen und Schlösser erhoben. Eine Sehenswürdigkeit reihte sich an die andere, sie schienen ineinander zu verschmelzen: die Ponte Vecchio, der Pitti Palast, die Bobolischen Gärten und der Dom San Frediano in Castello. Es dauerte eine Weile, bis D’Agosta seine Aufmerksamkeit wieder dem Raum selbst zuwenden konnte. Er war groß und ohne Unterteilungen. Männer in Zivil saßen an alten Mahagonischreibtischen. An den überreich mit Stuck verzierten Wänden hingen riesige Gemälde von alten Männern in Rüstungen. Eine merkwürdige Stimmung hing in der
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