Pendergast 05 - Burn Case - Geruch des Teufels
mit mir zu teilen. Schließlich habe ich Ihnen ja auch einen Gefallen getan, sogar einen großen, indem ich Ihre Anwesenheit am Tatort nicht in meinem Bericht erwähnt habe. Ansonsten wären Sie nämlich noch bis Weihnachten damit beschäftigt, irgendwelche Formulare auszufüllen.«
»Dafür bin ich Ihnen ja auch dankbar«, versicherte Pendergast. »Aber zurzeit kann ich Ihnen beim besten Willen nichts anderes erzählen als das, was ich Ihnen bereits gestern Abend gesagt habe. Wir untersuchen zwei mysteriöse Todesfälle, die sich kürzlich in New York ereignet haben. Locke Bullard war ein möglicher Tatverdächtiger. Allerdings spiegeln die Umstände seines eigenen Todes nun das Muster der vorangegangenen Morde wider.«
»Ich verstehe. Haben Sie irgendwelche Vermutungen?«
»Es wäre sehr unklug von mir, diese Frage zu beantworten. Und wenn ich es doch täte, würden Sie mir vermutlich nicht glauben. Aber Sie könnten mir Ihrerseits einen Gefallen tun, indem Sie mir eine Liste aller Todesfälle des letzten Jahres zur Verfügung stellen, bei denen das Opfer ganz oder teilweise verbrannt wurde.«
Esposito lächelte. »Schon wieder einen Gefallen!« Er zündete sich die nächste Zigarette an. »Verehrter Mr Pendergast, hier in Italien halten wir uns gern an das Prinzip, dass eine Hand die andere wäscht.«
»Colonnello, ich versichere Ihnen, sobald ich etwas Handfestes habe, wird es mir ein Vergnügen sein, mich umgehend bei Ihnen zu revanchieren.«
Esposito sah ihn ein paar Sekunden lang stumm an, dann drückte er seine Zigarette aus. »Sie suchen eine verbrannte Leiche in Italien!« Er lachte. »Nun denn. Das sind etwa die Hälfte aller Gewaltopfer im Süden. Die Mafia, die Camorra, die Cosa Nostra und die Sardinier – alle verbrennen ihre Opfer, nachdem sie sie umgebracht haben, das ist bei ihnen Tradition von alters her.«
»Nun, die Morde im Zusammenhang mit dem organisierten Verbrechen oder Familienfehden können wir außer Acht lassen. Es geht mir eher um Einzelopfer, möglicherweise im fortgeschrittenen Alter und in ländlichen Gegenden.«
D’Agosta musterte Pendergast neugierig. Was mochte den Agent umtreiben? Er las ein verdächtiges Jagdfieber in Pendergasts Augen, und das war immer ein Zeichen dafür, dass er eine ganz bestimmte Spur verfolgte. Und wie immer würde er seine Überlegungen mit niemandem teilen.
»Das würde den Kreis der Opfer erheblich einengen«, gab Esposito zu. »Ich werde sofort einen meiner Leute damit beauftragen. Aber einen Tag oder zwei müssen Sie wohl Geduld haben. Wir sind längst nicht so gut computerisiert, wie Sie das vom FBI her kennen.«
»Ich bin Ihnen überaus dankbar.« Pendergast erhob sich und reichte dem Colonnello die Hand.
Dieser beugte sich zum Abschied leicht vor. » Quann ’ ’o diavulo t’acarezza, vo’ll’ànema. «
Als sie das Haus verließen und wieder in den Sonnenschein traten, wandte sich Pendergast an D’Agosta. »Ich fürchte, ich muss Sie noch einmal um Ihre Hilfe als Übersetzer bitten.«
D’Agosta grinste. »Das war ein altes neapolitanisches Sprichwort. Wenn einem der Teufel um den Bart geht, muss man sich ein starkes Herz bewahren.«
»Nun, wo er Recht hat, hat er Recht.« Er atmete tief die laue, milde Luft ein. »Ein wunderschöner Tag. Was halten Sie davon, wenn wir einen kleinen Ausflug machen, Vincent?«
»Haben Sie ein bestimmtes Ziel vor Augen?«
»Wie ich gehört habe, soll Cremona zu dieser Jahreszeit zauberhaft sein.«
61
Sobald D’Agosta am Bahnhof von Cremona aus dem Zug gestiegen war, umfing ihn die warme Sonne des späten Morgens. Vor ihnen lag der alte Teil der Stadt mit ihrem unbekümmert südländischen Wirrwarr dicht gedrängter, mit roten Ziegeln gedeckter Häuser und schmalen Sträßchen und Gassen. Der Agent schlug den Weg zum Corso Garibaldi ein und eilte in solchem Tempo davon, dass der Sergeant Mühe hatte, mit ihm Schritt zu halten.
D’Agosta registrierte verwundert, dass Pendergast keinen Stadtplan konsultiert hatte, bevor er losgestürmt war. Während des größten Teils der Bahnfahrt hatte er ihm von den nahen Marmorbrüchen von Carrara erzählt, die die Bildhauer der Renaissance mit dem schönsten weißen Marmor versorgt hatten, den man sich denken kann. D’Agostas Versuche, das Gespräch auf seine eigentlichen Beweggründe für ihre Fahrt nach Cremona zu bringen, hatte er unwillig abgewehrt.
»Und jetzt?«, fragte D’Agosta, als er zu Pendergast aufgeschlossen hatte.
»Kaffee!«
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