Pendergast 05 - Burn Case - Geruch des Teufels
wiederhergestellt.
»Gut geschlafen?« Es war D’Agosta unbegreiflich, wie Pendergast sich gerade jetzt hatte hinlegen können. Er selbst war so nervös, dass er glaubte, nie mehr auch nur für eine Sekunde die Augen schließen zu können.
»Ich habe nicht geschlafen, Vincent, ich habe nachgedacht.«
»Ja, so ging’s mir auch. Zum Beispiel darüber, wie wir aus dem alten Schuppen je wieder rauskommen.«
»Sie werden doch nicht glauben, dass ich Sie ohne einen ausgeklügelten Fluchtplan hierher geschleppt hätte? Und falls mein Plan nicht aufgehen sollte: Ich halte viel von Improvisation.«
»Improvisation? Ich kriege Bauchschmerzen, wenn ich das Wort nur höre!«
»In diesen alten Burgen gibt es eine Menge Schlupflöcher. Auf dem einen oder anderen Weg kommen wir hier wieder raus, und zwar mit den Beweisen, die wir brauchen. Dann kommen wir mit Verstärkung zurück. Verstärkung, die wir nur erhalten, wenn wir Beweise vorlegen können. Wir hatten keine Wahl, Vincent, wir mussten hierher kommen – oder aufgeben.«
Es klopfte an der Tür. Sie glitt auf, und Pinketts stand im untadeligen Livree vor ihnen. D’Agostas Hand griff automatisch nach der Dienstpistole.
Pinketts deutete eine Verneigung an und sagte in seinem vornehmen Englisch: »Das Abendessen ist serviert.«
Sie folgten ihm den Weg zurück, den sie gekommen waren, die steinerne Wendeltreppe hinunter und durch mehrere angrenzende Räume, bis sie schließlich im Speisesaal angekommen waren. Es war ein in lichtes Gelb gehaltener Raum mit einer hohen gewölbten Decke, der Tisch war mit silbernem Besteck und edlem Porzellan für drei Personen eingedeckt, in der Mitte prangte ein Bukett aus frischen Rosen.
Fosco stand am Kamin, in dem ein kleines Holzfeuer brannte. Er ließ eine niedliche weiße Maus auf seiner fleischigen Hand hin und her huschen, schob sie aber, als seine Gäste eingetroffen waren, rasch in ihren einer Pagode nachempfundenen Käfig.
»Willkommen! Mr Pendergast, Sie werden hier sitzen, wenn’s genehm ist, Mr D’Agosta, bitte zu meiner Linken. Ein kleiner Prosecco aus eigenem Anbau?«
Beide Männer schüttelten den Kopf. Pinketts schenkte dem Grafen ein, Fosco hob sein Glas. »Auf die Stormcloud! Zu schade, dass wir nicht anstoßen können. Darf es wenigstens ein Gläschen Wasser sein?«
»Sergeant D’Agosta und ich haben uns heute Abstinenz verordnet«, sagte Pendergast.
»Ich habe ein köstliches Mahl vorbereitet!«, jammerte Fosco und gab Pinketts einen Wink, die noch abgedeckten Vorspeisen zu enthüllen. Der Graf ließ es sich nicht nehmen, sie der Reihe nach anzupreisen, und sah den Agent erwartungsvoll an.
»Nein, danke«, beschied ihn Pendergast.
»Mr D’Agosta, wie wär’s mit Ihnen?«
Der Sergeant würdigte ihn keiner Antwort.
»Ein Jammer, dass die Vorkoster ganz aus der Mode gekommen sind. Ich hasse es, allein zu essen.«
»Ich schlage vor, wir vergessen das Dinner und kommen unverzüglich zur Sache«, fertigte Pendergast ihn in barschem Ton ab. »Sergeant D’Agosta und ich haben nicht die Absicht, hier zu übernachten.«
»Darauf bestehe ich aber!«
»Sie können bestehen, worauf Sie wollen, das wird uns nicht umstimmen. Sobald Sie uns ausreichend Rede und Antwort gestanden haben, brechen wir auf.«
»Oh nein«, widersprach der Graf, »Sie werden nicht aufbrechen, weder in dieser noch in einer der kommenden Nächte. Ich rate dazu, bei Tisch mit Appetit zuzulangen, denn es wird Ihre letzte Mahlzeit sein. Sie können unbesorgt sein, das Essen ist nicht vergiftet. Für Sie beide habe ich mir etwas viel Raffinierteres einfallen lassen.«
Eisiges Schweigen.
Pinketts schenkte dem Grafen Rotwein ein. Fosco schwenkte das Glas langsam hin und her, prüfte die Blume, nahm einen Schluck und nickte. Dann fragte er Pendergast: »Wann ist Ihnen klar geworden, dass ich es war?«
Pendergast ließ sich viel Zeit, dann erwiderte er bedächtig: »Nach der Ermordung von Bullard fand ich am Tatort eine geringe Menge Pferdehaar. Mir war sofort klar, dass es von einem Violinenbogen stammen musste. Dann kam mir der Name von Bullards Jacht in den Sinn: Stormcloud. Plötzlich passte alles zusammen. Ich erkannte, dass dem ganzen Fall der Versuch unterlag, einen Diebstahl durch Mord zu vertuschen. Mein Verdacht fiel auf Sie – obgleich ich mir schon lange sicher war, dass die Sache über Bullard hinausging.«
»Respekt! Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Sie mir so schnell auf die Schliche kommen. Deshalb auch die
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