Pendergast 05 - Burn Case - Geruch des Teufels
nicht ernst meinen! Unwillkürlich tasteten seine Finger nach dem Kreuz an seinem Hals.
»Wo ist Bullard jetzt?«, fragte Pendergast.
»Er hat heute Morgen abgelegt. Aufs offene Meer zu.«
»Haben Sie eine Ahnung, wohin er will?«
»So wie’s aussieht nach Europa. Er hat jedenfalls Kurs nach Osten genommen. Hayward hat jemanden auf ihn angesetzt. Sobald er irgendwo anlegt, werden wir es sofort erfahren. Es sei denn, es gelingt ihm, die Küstenwache und die Zollbehörden zu umgehen, was jedoch bei der Größe seines Schiffes eher unwahrscheinlich ist.«
»Die gute Miss Hayward. Ist sie übrigens immer noch böse auf mich?«, fragte der Agent schmallippig.
»Darauf können Sie wetten«, sagte D’Agosta. »Verraten Sie mir Ihre Theorie?«
»Ich gebe mir die größte Mühe, mich auf keine festzulegen.«
In diesem Moment hörten sie das Knirschen von Reifen auf Kies und leise Stimmen. Ein Oldtimer-Cabriolet mit offenem Verdeck hielt hinter den geparkten Autos, auf dem Notsitz war mit Lederriemen ein großer Korb festgeschnallt.
»Wer ist das?«, fragte D’Agosta.
»Ein neuer Gast.« Mehr wollte Pendergast anscheinend vorläufig nicht verraten.
Eine groß gewachsene, wohl beleibte Gestalt kam um den Wagen herum und kam mit forschen, weit ausholenden Schritten auf sie zu. D’Agosta erkannte ihn von der Gedenkfeier für Grove wieder: Graf Fosco. »Was macht der denn hier?«, fragte er erstaunt.
»Er scheint über Informationen zu verfügen, die für uns von großem Wert sind«, antwortete Pendergast. »Glücklicherweise ist er sehr beflissen, sie mit uns zu teilen. Ich habe ihn nach Ravenscry eingeladen, weil ich ihm nach einem interessanten Opernabend eine Gegeneinladung schuldig bin.«
»Was für ein zauberhaftes Fleckchen Erde!«, rief Fosco mit dröhnender Stimme aus. »Ah, der wackere Sergeant D’Agosta ist auch da! Es ist immer eine Freude, im Ausland einen Landsmann zu treffen. Wie geht es Ihnen?« Er reckte dem Sergeant seine mit einem weißen Handschuh bedeckte Hand hin.
»Danke, gut«, murmelte D’Agosta. Das extravagante Getue des Grafen war ihm schon an dem Abend im Metropolitan Museum unsympathisch gewesen, jetzt mochte er es noch weniger.
»Und das ist mein Mündel, Constance Greene«, stellte Pendergast dem Grafen die junge Frau vor.
»Mündel!«, dröhnte Fosco. »Wie schön, wenn sich jemand aus der Mode gekommener Worte bedient!« Der Graf beugte sich über die Hand des Mädchens, ohne sie freilich bis an die Lippen zu führen.
Constance neigte anmutig den Kopf und sagte: »Ich sehe, dass Sie die Leidenschaft für extravagante Automobile mit Mr Pendergast teilen.«
»Ja«, bestätigte Fosco, »und nicht nur das, Mr Pendergast und ich sind Freunde geworden.« Er strahlte übers ganze Gesicht. »Manchmal sind wir natürlich unterschiedlicher Meinung. Ich liebe zum Beispiel Musik über alles, Mr Pendergast tut es nicht. Ich habe ein Faible für extravagante Kleidung, er hingegen läuft herum wie ein Leichenbestatter. Aber das tut unserer Freundschaft keinen Abbruch, wir lieben beide die schönen Künste, die Literatur, gutes Essen, gepflegte Weine und kultivierte Gespräche. Und wir sind beide fasziniert von diesen unerklärlichen, rätselhaften Verbrechen.« Er sah Constance abwartend an und lächelte.
»Verbrechen sind nur so lange interessant, wie sie unerklärlich scheinen. Leider bleiben es nicht viele.«
»Leider?«
»Ja, leider. Vom rein ästhetischen Standpunkt aus betrachtet.«
Der Graf drehte sich zu Pendergast um. »Diese junge Dame ist außergewöhnlich!«
»Und was interessiert Sie außer der Faszination an einem Verbrechen, Graf?«, fragte Constance.
»Nun, ich will mich bei der Aufklärung nützlich machen.«
»Graf Fosco war mir bereits von unschätzbarer Hilfe«, sagte Pendergast.
»Und ich will es Ihnen, wie Sie merken werden, auch fürderhin sein«, versicherte Fosco. »Aber erst muss ich Ihnen sagen, wie gut mir dieses Anwesen gefällt. Es gehört Ihrer Großtante, haben Sie gesagt? Es ist hinreißend pittoresk! Geheimnisvoll, verwunschen, mit dem morbiden Reiz des Verfalls! Es erinnert mich an Piranesis Kupferstich Veduta degli Avanzi delle Terme di Tito, die Ruinen der Titusbäder. Viele Mauern in meinem Castello in der Toskana sind auf ähnlich reizvolle Weise vom Zahn der Zeit angenagt. Das ist der Charme der Vergänglichkeit.«
D’Agosta fragte sich insgeheim, wie das Schloss eines Grafen wohl aussah.
»Wie versprochen, habe ich uns einen Lunch
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