Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd
haben sie als eine außergewöhnlich seltene Art von Cashmere-Wolle identifiziert, gemischt mit ein wenig Merino-Wolle. Sehr, sehr teuer. Wie Sie sehen, wurden beide Fasertypen, ehe sie verwoben wurden, schwarz gefärbt. Aber schauen Sie selbst.« Quince trat einen Schritt zurück und deutete auf das stereoskopische Mikroskop, das neben dem Labortisch stand.
Hayward trat vor und warf einen Blick durch die Okulare. Ein halbes Dutzend dünne schwarze Fäden hoben sich vor einem hellen Hintergrund ab – glatt und glänzend und sehr gleichmäßig.
Sehr, sehr teuer. Sie wartete zwar immer noch darauf, dass die Psychologen das Profil lieferten, dennoch zeichneten sich bereits ein paar Dinge über den Täter ab. Er – vielleicht auch sie – war sehr kultiviert, hochintelligent und verfügte über Geldmittel. »Das Färbemittel ist, wie sich herausgestellt hat, ebenfalls schwer zu identifizieren. Es handelt sich um einen natürlichen pflanzlichen Farbstoff, nicht um einen synthetischen, aber bislang konnten wir ihn noch nicht aufspüren. Es ist in keiner der Datenbanken verzeichnet. Eine Möglichkeit wäre eine seltene Beere, die auf den Berghängen in Tibet wächst und die von den Einheimischen verwendet wird.«
Hayward trat einen Schritt vom Mikroskop zurück. Während sie zuhörte, spürte sie einen leichten Schauer des Erkennens. Sie hatte vorzügliche Instinkte, und normalerweise bedeutete dieses kleine Prickeln, dass zwei Stücke eines Puzzles sich zusammenfügten. Doch im Moment konnte sie sich nicht vorstellen, worum es sich bei diesen Stücken handelte. Sie war noch abgespannter, als sie gedacht hatte. Sie würde nach Hause gehen, etwas zu Abend essen und sich früh schlafen legen.
»Die Fasern sind extrem fein, aber sehr fest gewebt«, sagte Quince. »Wissen Sie, was das bedeutet?«
»Dass das Kleidungsstück sehr weich und bequem ist?«
»Ja. Aber darum geht’s hier nicht. Sondern darum, dass so ein Kleidungsstück kaum fusselt. Deshalb auch die geringe Anzahl von Fasern am Tatort.«
»Vielleicht deutet das auch auf einen Kampf zwischen Opfer und Täter hin.«
»Das habe ich mir auch schon gedacht.« Quince runzelte die Stirn. »Normalerweise ist es für den, der die Faser untersucht, günstig, wenn sie so ungewöhnlich ist. Das hilft bei der Identifizierung des Tatverdächtigen. In diesem Fall aber ist die Faser so ungewöhnlich, dass es genau umgekehrt ist. In keiner unserer Textilfaser-Datenbanken gibt es etwas Vergleichbares. Und dann ist da noch etwas Merkwürdiges: das Alter der Faser.«
»Nämlich?«
»Unsere Tests deuten darauf hin, dass der Stoff vor mindestens zwanzig Jahren gewebt wurde. Es spricht jedoch nichts dafür, dass das Kleidungsstück selbst alt ist. Es gibt nicht die Art von Verblassen oder Schäden, die man nach Jahren des Gebrauchs und des wiederholten Reinigens erwarten würde. Es sieht so aus, als wäre der Stoff gestern vom Ladenregal genommen worden.«
Endlich hielt Quince den Mund. Er streckte die Arme aus und drehte die Handflächen nach oben wie zu einem Bittgesuch.
»Und?«, fragte Hayward.
»Das war’s. Wie gesagt, wir konnten nichts weiter finden. Wir haben bei Textilwebereien, Bekleidungsherstellern, bei jeder erdenklichen Stelle nachgefragt. Im Inland und im Ausland. Bei dem Seil liegen die Dinge genauso. Wie’s aussieht, wurde die Faser auf dem Mond hergestellt; wir finden da einfach nichts.«
Wir finden da einfach nichts? »Tut mir Leid, aber das genügt mir nicht.« Vor lauter Erschöpfung und Ungeduld klang ihre Stimme plötzlich schroff. »Wir haben in diesem Fall nur eine Hand voll Indizien, Dr. Quince, und diese Fasern sind die wichtigsten. Sie haben selbst gesagt, dass der Stoff extrem selten ist. Wenn Sie bereits bei den Webereien und den Herstellern nachgefragt haben, dann müssen Sie sich eben auch noch bei einzelnen Schneidern erkundigen.«
Quince erschrak ob dieser Schelte. Gekränkt schaute er sie aus seinen großen Hundeaugen an. »Captain Hayward, ich bitte Sie, bei der riesigen Anzahl von Schneidern, die es auf der Welt gibt, wäre das doch wie die Suche nach der Stecknadel im …«
»Wenn der Stoff so fein ist, wie Sie behaupten, dann brauchen Sie ja nur die exklusivsten und teuersten Schneider zu kontaktieren. Und nur in drei Städten: New York, London und Hongkong.« Sie merkte, dass sie schwer atmete und die Stimme gehoben hatte. Beruhige dich.
Es wurde ganz still im Labor; Hayward hörte ein höfliches Räuspern. Sie schaute sich um
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