Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd
nicht. Warum?«
»Der Mann ist vorgestern in seinem Haus in D. C. umgebracht worden. Offenbar war er mit Special Agent Pendergast gut befreundet, mit dem Sie, wie ich weiß, vor Ihrem Verschwinden zusammengearbeitet haben. Hat Pendergast Ihnen gegenüber Decker mal erwähnt – ob Decker vielleicht Feinde hatte, zum Beispiel?«
D’Agosta tat, als denke er nach. »Nein, nicht soweit ich mich erinnern kann.«
Noch ein kurzes Schweigen.
»Es freut mich, dass Sie wieder an Ihren Arbeitplatz zurückgekehrt sind«, fuhr Singleton fort. »Ich habe nämlich einige Berichte reinbekommen, dass in den letzten beiden Tagen Fragen nicht bearbeitet wurden. Dass Arbeiten nur halb erledigt wurden – oder gar nicht. Aufgaben unnötigerweise delegiert wurden.«
»Sir«, sagte D’Agosta. Das stimmte zwar alles, aber er versuchte trotzdem, ein wenig rechtschaffene Empörung in seine Stimme legen. »Ich hol das nach, so schnell ich kann. Es ist viel zu tun.«
»Ich habe außerdem gehört, dass Sie, anstatt den Hinweisen im Baumelmann-Fall nachzugehen, eine Menge Fragen über den Duchamp-Mord gestellt haben.«
»Duchamp?«, wiederholte D’Agosta. »Das ist ein ganz ungewöhnlicher Fall, Captain. Ich bin da wohl genauso neugierig wie wir alle hier.«
Singleton nickte erneut, diesmal jedoch langsamer. Er hatte eine einmalige Art, das, was er dachte, mit seiner Mimik auszudrücken, und jetzt sagte sein Gesichtsausdruck: Sie meinen wohl, sehr viel neugieriger als alle anderen. Aber er probierte es noch einmal, nun auf andere Weise. »Stimmt etwas nicht mit Ihrem Funkgerät, Lieutenant?«
Verdammt! D’Agosta hatte es am Nachmittag ganz bewusst ausgeschaltet gelassen, in der Hoffnung, exakt so ein Kreuzverhör vermeiden zu können. Aber er hätte wissen müssen, dass das nur noch mehr Misstrauen erregen würde.
»Ehrlich gesagt, scheint es heute irgendwie nicht richtig zu funktionieren«, sagte er und tätschelte auf seine Jackentasche.
»Dann lassen Sie es lieber mal nachschauen. Oder lassen Sie sich ein neues geben.«
»Mach ich gleich.«
»Ist irgendetwas, Lieutenant?«
Die Frage wurde so schnell gestellt, unmittelbar nach der vorhergehenden, dass D’Agosta einen Augenblick lang ganz überrascht war. »Sir?«
»Ich meine, mit Ihrer Mutter. Geht’s ihr gut?«
»Ach. 0 ja. Die Prognose ist besser, als ich gehofft hatte. Danke für die Nachfrage.«
»Und was ist mit Ihnen, geht’s Ihnen gut, jetzt, da Sie an Ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt sind?«
»Ja, sehr gut, Captain.«
Der Aufzug verlangsamte seine Fahrt, aber Singleton sah D’Agosta noch immer fest in die Augen. »Das ist gut«, sagte er. »Das freut mich zu hören. Denn, um ehrlich zu sein, ist es mir lieber, wenn jemand nicht hier ist, als wenn er nur halb hier ist. Sie wissen doch, was ich damit meine?«
D’Agosta nickte. »Ja.«
Singleton lächelte matt, die Tür öffnete sich. Dann streckte er den Arm aus. »Nach Ihnen, Lieutenant.«
26
Margo zögerte an der Tür zu Menzies’ Büro, holte tief Luft und klopfte. Menzies machte ihr selbst auf; er hatte schon vor Jahren auf sein Recht auf eine Sekretärin verzichtet, weil sie ihn, wie er sich beklagte, ablenke. Er lächelte, nickte, trat einen Schritt zur Seite und bedeutete Margo mit einer höflichen Geste, einzutreten.
Sie kannte das Büro gut. Während ihrer ersten Beschäftigung im Museum als junge Studentin war es das Büro von Menzies’ Vorgänger, ihres alten Doktorvaters Dr. Frock, gewesen. Damals hatte es mit viktorianischen Möbeln, Fossilien und Kuriositäten voll gestanden. Seit Menzies’ Einzug wirkte es dagegen viel geräumiger und freundlicher: Geschmackvolle Drucke hatten die staubigen Fossilientafeln ersetzt, das schwere alte Mobiliar war bequemen Ledermöbeln gewichen. In einer Ecke stand ein neuer iMac mit Flachbildschirm. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne fielen durch die Fenster nach Westen und warfen ein rötliches Parallelogramm auf die Wand hinter Menzies’ Mahagonischreibtisch. Menzies führte Margo zu einem der Sessel und nahm selbst hinter seinem Schreibtisch Platz. Dann legte er die Hände zusammen, beugte sich vor und sagte: »Vielen Dank, Margo, dass Sie so kurzfristig gekommen sind.«
»Kein Problem.«
»Sie machen Überstunden, wie ich sehe.«
»Ich muss die neue Ausgabe von Museology noch heute Abend unter Dach und Fach bringen.«
»Natürlich.« Er nahm die Hände auseinander und lehnte sich zurück in die Sonne; plötzlich erschien ein goldener
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