Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit
sparen Sie sich Ihre überschwänglichen Bezeugungen der Zuneigung, bis ich geduscht habe und angekleidet bin.«
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Um halb sieben am selben Abend stand William Smithback jr. auf dem Bürgersteig des Museum Drive und blickte zur hell angestrahlten Fassade des
New York Museum of Natural History
hoch. Ein breiter Samtteppich war die großen Granitstufen hinabgerollt worden. Die Menschenmenge aus Schaulustigenund Journalisten wurde von Samtkordeln und Phalanxen von Museumswachleuten zurückgehalten, während eine Limousine nach der anderen vorfuhr und in einer gewaltigen Parade des Geldes, der Macht und des Einflusses Filmstars, hohe Beamte der Stadt, Könige und Königinnen der Hochfinanz, Matronen der feinen Gesellschaft, dürre Models
du jour
mit leerem Blick, Vorstandsvorsitzende, Universitätspräsidenten und Senatoren auslud.
In einem gemessenen Strom aus Schwarz, Weiß und Glitzer stiegen die Großen und Mächtigen die Museumstreppe hoch, wobei sie weder nach rechts noch nach links blickten, und traten durch die von Säulen eingefasste Bronzetür in gleißendes Licht – derweil das Volk, zurückgehalten durch Absperrungen und Polizei, glotzte, kreischte und fotografierte. Und über allem bauschte sich in einer leichten Brise das vier Stockwerke hohe Plakat, mit dem die neoklassizistische Fassade behängt war. Es zeigte ein gigantisches Auge des Horus, darunter stand in einer Schrift, die den Hieroglyphen nachempfunden war:
FESTLICHE ERÖFFNUNG
DAS GROSSE GRAB DES SENEF
Smithback rückte die Seidenfliege seines Smokings zurecht und strich sich über das Revers. Weil er mit dem Taxi und nicht in einer Stretch-Limousine vorgefahren war, hatte er eine Querstraße entfernt aussteigen und sich durch die Menge drängeln müssen, ehe er an der Absperrung eintraf. Er zeigte seine Einladung einem misstrauischen Wachmann, der einen anderen herbeirief. Nach einigen Minuten intensiver Beratschlagung ließen sie ihn widerwillig durch – und er geriet mitten hinein ins parfümierte Kielwasser von Wanda Mersault,der Schauspielerin, die bei der Eröffnung der
Bildnisse des Heiligen
-Ausstellung ein solches Theater veranstaltet hatte. Wie sehr es sie doch betrübt haben musste, überlegte Smithback, bei der Nominierung zur Besten Schauspielerin bei der jüngsten Oscar-Verleihung nicht berücksichtigt worden zu sein. Freudig erregt marschierte er in der Parade der Macht mit und durchschritt die glänzende Bronzetür.
Das hier würde bestimmt die Krönung aller Ausstellungseröffnungen.
Der Samtteppich führte durch die Große Rotunde mit den von Stützen getragenen Dinosauriern bis zur prunkvollen Afrikanischen Halle; von dort schlängelte sich der Teppich durch ein halbes Dutzend muffiger Säle und halb vergessener Gänge, bis er vor einer Gruppe von Fahrstühlen ankam, wo sich die Menschenmenge staute. Ist zwar ein ziemlich weiter Weg, dachte Smithback und stellte sich für den nächsten Fahrstuhl an, doch das Grab des Senef lag ja auch tief im Bauch des Museums, so weit weg vom Haupteingang, wie’s nur ging. Er rückte seine Fliege zurecht.
Aber vielleicht brachte der kurze Spaziergang bei einigen dieser vertrockneten alten Leutchen ein bisschen das Blut in Wallung. Konnte ihnen nur guttun.
Ein leises Klingeln kündigte das Eintreffen der nächsten Kabine an. Smithback betrat sie zusammen mit den anderen – sie standen eng an eng, wie schwarzweiße Sardinen – und wartete, dass der Lift langsam ins Untergeschoss hinabfuhr. Endlich ging die Tür auf, und sie wurden erneut von gleißendem Licht, den wirbelnden Klängen eines Orchesters und, dahinter gelegen, der prunkvollen Ägyptischen Halle mit ihren wunderschön restaurierten Wandgemälden aus dem 19. Jahrhundert empfangen. An den Wänden reihten sich vor lauter Gold, Geschmeide und Fayence-Keramiken glitzernde Schaukästen, auf dem Marmorboden standen erlesen eingedeckte Cocktailtischchen und Dinnertische, erhellt vom Schein HunderterKerzen. Am wichtigsten aber, dachte Smithback, während er den Blick schweifen ließ, waren die langen Tische an den Wänden, die sich unter all dem geräucherten Stör und Lachs, den knusprigen, hausgemachten Broten und riesigen Platten mit San-Daniele-Schinken und Silberkübeln mit perlgrauem Sevruga- und Beluga-Kaviar geradezu bogen. An beiden Enden standen gewaltige Silberschalen, randvoll mit zerstoßenem Eis und bestückt mit Flaschen Veuve Clicquot, als wären es Geschütze, die nur darauf warteten, dass die Korken
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