Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit
dem Beifahrersitz und sagte nichts. Sie betrachtete Pendergast im Rückspiegel – sein Gesicht übel zugerichtet, auf der einen Wange eine frisch verbundene Platzwunde. Sein Gesichtsausdruck war gespenstisch; eine solche Miene hatte sie weder bei ihm – noch bei sonst jemandem – jemals gesehen. Pendergast wirkte wie jemand, der soeben in seine persönliche Hölle geschaut hatte.
Hayward blickte wieder auf die vor ihr liegende Straße. Tief in ihrem Innern ahnte sie, dass sie soeben den Rubikon überschritten hatte. Sie hatte etwas getan, das ihrer Ausbildung und allem, was es bedeutete, eine gute Polizistin zu sein, komplett zuwiderlief.
Komisch, dass ihr das im Augenblick offenbar völlig egal war. Ein seltsames, unbehagliches Schweigen lastete auf ihnen. Hayward hätte erwartet, dass Pendergast sie mit Fragen löchern oder ihr wenigstens dafür danken würde, dass sie ihn nicht festgenommen hatte. Stattdessen saß er nur wortlos da, immer noch denselben furchtbaren Ausdruck im demolierten Gesicht.
»Also gut«, sagte sie. »So sieht’s aus: Heute Abend findet im Museum die Gala-Eröffnung der neuen Ausstellung statt. Alle sind da: die Führungsspitze des Museums, der Bürgermeister, der Gouverneur, Prominente, Wirtschaftsbosse. Alle. Ich habe versucht, die Eröffnung zu stoppen, zu verschieben, aber man hat mich überstimmt. Das Problem ist, ich hatte – habe noch immer keine wirklich harten Informationen. Ich weiß nur eins: Da braut sich etwas zusammen. Und Ihr Bruder Diogenes steckt dahinter.«
Wieder blickte sie kurz auf Pendergast. Aber der reagierte gar nicht, erwiderte nicht einmal ihren Blick. Sondern saß einfach nur da, in sich gekehrt, distanziert. Er hätte auch eine Million Meilen weg sein können.
Mit quietschenden Reifen überholte sie einen City-Bus, dann bog sie mit hoher Geschwindigkeit auf den West Side Highway.
»Nach dem Diamantenraub«, fuhr sie fort, »ist Diogenes verschwunden. Ich nehme an, er hatte sein Alter Ego längst vorbereitet und ist einfach in die Rolle hineingeschlüpft. Ich habe ein bisschen herumgeschnüffelt, wie auch der Journalist Smithback. Wir sind beide überzeugt, dass es sich bei Diogenes’ Alter Ego um einen Mitarbeiter des Museums handelt, vermutlich um einen Kurator. Denk mal darüber nach: Der Diamantenräuber muss Hilfe von innen gehabt haben, aber Diogenes ist keiner, der Partner aufnimmt. Und so ist es ihm gelungen, die Sicherheitsmaßnahmen während der
Bild nisse desHeiligen
-Ausstellung zu überwinden und Margo Green tätlich anzugreifen. Vinnie, du hast mir von Anfang an gesagt, dass Diogenes irgendwas Großes ausheckt. Du hattest recht, von Anfang an. Und diese Sache wird heute Abend über die Bühne gehen, während der Eröffnung.«
»Du solltest Pendergast lieber auf den neuesten Stand bringen, was die Ausstellung betrifft«, sagte D’Agosta.
»Nach dem Desaster mit den Diamanten hat das Museum angekündet, ein altes ägyptisches Grab in seinem Keller wieder zugänglich zu machen – das Grab des Senef. Irgendein französischer Graf hat dem Museum einen Haufen Geld dafür gespendet. Damit hat man offensichtlich die öffentliche Aufmerksamkeit von der Vernichtung der Diamantensammlung ablenken wollen. Heute findet die Gala-Eröffnung statt.«
»Der Name?«, fragte Pendergast mit Grabesstimme.
Das waren die ersten Worte, die Hayward von ihm hörte.
»Wie bitte?«
»Wie heißt der Graf?«
»Thierry de Cahors.«
»Hat sich irgendjemand mit diesem Grafen getroffen?«
»Ich glaube nicht.« Als Pendergast erneut in Schweigen verfiel, fuhr sie fort: »In den vergangenen sechs Wochen hat es zwei Todesfälle gegeben, die mit der Wiedereröffnung des Grabes in Verbindung stehen, angeblich aber nicht miteinander zusammenhängen. Bei dem ersten Toten handelt es sich um einen Computerexperten, der in dem Grab arbeitete; er wurde von seinem Arbeitskollegen umgebracht. Der Typ drehte durch, ermordete seinen Kollegen, stopfte dessen Organe in zeremonielle Kanopenkrüge, die in der Nähe herumstanden, und floh ins Dachgeschoss des Museums. Als man versucht hat, ihn dingfest zu machen, hat er einen Wachmann angegriffen. Bei dem zweiten Toten handelt es sich um einen Kurator namens Wicherly, ein Brite, den das Museum extra eingestellthatte, um die Ausstellung zu kuratieren. Er verlor den Verstand und wollte Nora Kelly erdrosseln – du kennst sie doch, Vinnie, oder?«
»Geht’s ihr gut?«
»Ja, sehr gut – sie leitet sogar die Eröffnung heute Abend.
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