Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit
Bundesgefängnis, das sich einen vergleichbaren Ruf erworben hatte.
D’Agosta ließ sein Fernglas weiter über die Gebäude schweifen, nahm jedes winzige Detail auf, das er bereits seit drei Wochen auf dem Papier studierte. Langsam arbeitete er sich von den Hauptgebäuden zu den Anbauten und schließlich zur Peripherie des Gefängnisses vor.
Auf den ersten Blick sahen die äußeren Begrenzungen von Herkmoor recht unspektakulär aus. Der Gefängniskomplex war durch die üblichen drei Barrieren gesichert. Die erste bestand aus einem sieben Meter hohen schweren Maschendrahtzaun, der oben mit Stacheldraht versehen war und von den leistungsstärksten Xenon-Stadiumscheinwerfern angestrahlt wurde. Eine Abfolge von etwa achtzehn Meter breiten Kiesflächen führte zur zweiten Barriere, einer zwölf Meter hohen Mauer aus Schlackenstein, die oben mit Metallspitzen und Draht versehen war. Entlang der Mauer erhob sich etwa alle neunzig Meter ein mit einem bewaffneten Posten besetzter Wachturm. D’Agosta konnte sehen, wie die Männer sich aufmerksam und wachsam hin und her bewegten. Nach einem dreißig Meter breiten Zwischenraum, in dem eine Meute Dobermänner umherstreifte, kam die letzte Barriere, ein weiterer Maschendrahtzaun, der mit dem ersten identisch war. Vor dem Zaun erstreckte sich eine ausgedehnte Grasfläche von knapp dreihundert Metern bis zum Waldrand.
Einzigartig wurde Herkmoor jedoch dadurch, was man nicht sah: ein hochmodernes elektronisches Überwachungs- und Sicherheitssystem, angeblich das beste im Land. D’Agosta hatte sich die technischen Daten des Systems angesehen – genau genommen hatte er tagelang darüber gebrütet –, aber er hattekaum ansatzweise verstanden, wie es funktionierte. Aber das beunruhigte ihn nicht weiter. Es reichte, wenn Eli Glinn, sein stiller, kauziger Partner, der sich momentan in seinem Hightech-Überwachungsvan verkrochen hatte, das komplizierte System verstand.
Das Ganze war mehr als ein Sicherheitssystem: Es war eine innere Haltung. Obwohl es in Herkmoor zahlreiche Fluchtversuche gegeben hatte, einige davon außergewöhnlich schlau und raffiniert, waren alle fehlgeschlagen – und jeder Wärter und Mitarbeiter in Herkmoor war sich dieser Tatsache deutlich bewusst und stolz darauf. Hier hoffte man vergeblich auf bürokratischen Schlendrian oder eitle Selbstzufriedenheit, auf schlafende Wachleute oder defekte Überwachungskameras.
Das beunruhigte D’Agosta ganz außerordentlich.
Er schloss seine Untersuchung ab und schaute zu dem Mann neben ihm. Proctor lag auf dem Boden, machte Fotos mit seiner Nikon-Digitalkamera, die mit einem Mini-Stativ, einer 2600-mm-Linse und spezialangefertigten CCD-Chips ausgestattet war, die so lichtempfindlich waren, dass sie das Auftreffen eines einzelnen Photons aufzeichnen konnten.
D’Agosta ging noch einmal die Liste der Fragen durch, auf die Glinn eine Antwort verlangte. Einige waren von offenkundiger Wichtigkeit: Wie viele Hunde gab es? Mit wie vielen Posten waren die Wachtürme besetzt? Wie viele Wärter patrouillierten an den Toren? Außerdem hatte Glinn um eine ganz genaue Beschreibung aller ankommenden und abfahrenden Fahrzeuge gebeten. Er wünschte Detailaufnahmen von allen Antennen, Satellitenschüsseln und Hornstrahlern auf den Gebäudedächern. Der Sinn anderer Fragen war D’Agosta dagegen eher schleierhaft. So wollte Glinn zum Beispiel wissen, ob das Areal zwischen der Mauer und dem äußeren Zaun aus Erde, Gras oder Kies bestand. Er hatte um eine Probe aus dem stromabwärts gelegenen Teil des Bachs gebeten, der ander Anstalt vorbeifloss. Das Merkwürdigste war allerdings, dass er D’Agosta ersucht hatte, alles an Müll einzusammeln, was er in einem bestimmten Abschnitt des Baches finden konnte. Er hatte ihn aufgefordert, das Gefängnis einmal rund um die Uhr zu beobachten und über jede wahrnehmbare Aktivität genauestens Buch zu führen: die Zeiten, in denen die Häftlinge Hofgang hatten oder Sport trieben, die Ablösung der Wachen, das Kommen und Gehen von Lieferanten, beauftragten Firmen oder Versorgungsdiensten. Er wollte wissen, wann die Lichter an- und ausgingen. Und alles sollte auf die Sekunde genau festgehalten werden.
D’Agosta hielt inne, um einige Beobachtungen in das digitale Diktaphon zu sprechen, das Glinn ihm gegeben hatte. Er hörte das leise Surren von Proctors Kamera und den Regen, der auf die Blätter prasselte.
Er streckte die eingeschlafenen Glieder. »Mein Gott, die Vorstellung, dass Pendergast da
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