Pendergast 08 - Darkness - Wettlauf mit der Zeit
wirbelte er herum und ließ seine Blicke verzweifelt um sich schweifen, auf der Suche nach einem Ort, an dem er sich verstecken konnte.
Von hinter ihm kam ein Hauch kalter, feuchter Luft.
Sein Blick fiel auf einen Durchgang, kaum mehr als ein schwarzer Umriss vor dem polierten Holz einer weit entfernten Wand. Dahinter lag, wie er wusste, die Treppe, die zum Untergeschoss hinabführte und zu den weitläufigen Kammern und Katakomben des zweiten Kellergeschosses der Villa. Er kannte praktisch Hunderte von Nischen, Grüften und Geheimgängen dort unten, in denen er sich verbergen konnte.
Rasch bewegte er sich zu der geschlossenen Tür, dann blieb er stehen. Der Gedanke, in irgendeiner dunklen, feuchten Sackgasse zu kauern – wartend, wie eine in die Ecke getriebene Ratte, bis das Ding ihn fand –, war ihm unerträglich.
Mit wachsender Verzweiflung rannte er über den hinteren Korridor, durch eine Tür und in die Küchenräume. Hier gab es ein Gewirr von staubigen Küchen- und Waschräumen, und er lief durch sie hindurch auf der Suche nach einem sicheren Hafen. Es war sinnlos. Wieder wirbelte er herum und rang nach Luft. Das Ding war hier, er spürte es – und es kam immer näher.
Ohne dass er einen weiteren Augenblick vergeudete, lief er ins Foyer zurück. Er zögerte nur eine Sekunde, blickte hektisch um sich, auf die polierten Holzschränke, den funkelnden Kronleuchter, die
trompe-l’oeil
-Decke. Es gab nur ein mögliches Mauseloch, einen Ort, an dem er vielleicht sicher wäre.
Er sprang die geschwungene Freitreppe in den zweiten Stock hinauf und rannte, so schnell er konnte, durch die hallende Galerie. Als er an einer offenen Tür ankam, auf halber Strecke zur Linken, lief er hindurch und knallte die Tür hinter sich zu, drehte den Schlüssel im Schloss und warf den Riegel vor.
Sein Zimmer – sein Jugendzimmer. Die Villa war vor langer Zeit abgebrannt, aber hier hatte er sich immer sicher gefühlt. Es war der einzige Ort in seiner Erinnerung, der so gut geschützt war, dass niemand – nicht einmal sein Bruder Diogenes – jemals dort hatte eindringen können.
Im Kamin prasselte ein Feuer, auf den Beistelltischen flackerten Kerzen. Die Luft war durchdrungen von Holzrauch. Pendergast wartete, seine Atmung ging langsamer. Schon allein die Tatsache, dass er wieder in dem warmen, indirekten Licht stand, enfaltete eine beruhigende Wirkung. Sein Herzschlag verlangsamte sich. Der Gedanke, dass er vor kurzem noch in diesem Zimmer gesessen und zusammen mit Constance meditiert hatte, mobilisierte neue und unvorstellbare geistige Kräfte. Es war eine Ironie, sogar ein wenig kränkend. Aber wie auch immer. Bald – sehr bald – würde die Gefahr vorüber sein, und er könnte wieder auftauchen. Er hatte Angst gehabt, große Angst, und zwar aus gutem Grund: Das Ding, das ihn in der materiellen Welt bereits eingehüllt hatte, hatte ihn beinah auch in der psychischen Welt umgeben. Es hätte nur noch wenige Minuten gedauert, dann wäre sein Leben, wären seine Erinnerungen, seine Seele, alles, das ihn als Menschen ausmachte, zerborsten. Doch hier würde
es
nicht eindringen. Es konnte es nicht, niemals, niemals …
Mit einem Mal hatte er abermals dieses Gefühl, nahe am Nacken; ein feuchter, kühler Hauch klammer Luft, erfüllt vom Gestank feuchter Erde und raschelnden, öligen Insekten.
Schreiend sprang er auf. Es war bereits da, in seinem Zimmer, wälzte sich auf ihn zu, das rot-schwarze Gesicht zu einem maskenhaften Lächeln verzerrt, verschwommene graue Arme streckten sich ihm mit einer fast zärtlich zu nennenden Geste entgegen, wenn da nicht die Klauen gewesen wären …
Er fiel auf den Rücken, und sofort war es auf ihm, schändete ihn auf die fürchterlichste Weise, breitete sich in ihm aus, saugend, unaufhörlich saugend, bis er tief in sich etwas spürte – irgendeine Essenz, die so tief war, dass er sich nie bewusst gewesen war, dass sie im Kern seines Wesens lag –, das anschwoll, sich losriss, sich verzerrte …, und da wurde ihm klar, mit einem Schauder reinen Grauens, dass es für ihn keine Hoffnung mehr gab – überhaupt keine Hoffnung mehr.
Constance packte die Bücherregale. Sie war starr vor Angst. Pendergast lag besorgniserregend ruhig auf dem Boden im Wohnzimmer vor der Wand, umfangen von Nebel. Das Schiff neigte sich weiter, das Rauschen des Wassers wurde immer lauter, während das Schiff krängte. Mehr als einmal hatte sie ihm ihre Hand entgegengestreckt, aber er hatte sie
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