Pendergast 08 - Darkness - Wettlauf mit der Zeit
Mob zusammengerottet.« Dahlberg atmete schwer. »Liu und Crowley sind angegriffen worden. Vielleicht getötet. Die Passagiere haben ein zweites Boot vom Stapel gelassen. Auch das ist zerschellt, als es aufs Wasser aufschlug.«
Entsetztes Schweigen.
LeSeur drehte sich zum Leitenden Funkoffizier um. »Aktivieren Sie die automatische Schiffs-Evakuierungs-Meldung.«
»Sir, Sie haben doch gehört, was die Frau gesagt hat!«, meldete sich Kemper zu Wort. »Die Rettungsboote wären nichts weiter als schwimmende Särge. Außerdem dauert es schon unter idealen Bedingungen fünfundvierzig Minuten, die Boote zu beladen und vom Stapel zu lassen. Wir haben dreißig. Wir kollidieren, wenn alle Passagiere dichtgedrängt auf den offenen Halbdecks stehen. Das gibt ein Massaker. Die Hälfte der Leute geht über Bord, und die übrigen werden völlig zerfetzt.«
»Wir schaffen so viele in die Boote wie möglich, halten sie bis zum Aufprall in den Booten und lassen diese dann vom Stapel.«
»Durch die Wucht des Aufpralls könnten die Boote entgleisen. Sie wären in den Halbdecks eingeklemmt, und es gäbe keine Möglichkeit mehr, sie zu Wasser zu lassen. Die Boote würden mit dem Schiff untergehen.«
LeSeur drehte sich zu Halsey um. »Stimmt das?«
Halsey war weiß wie die Wand. »Ich glaube, das ist korrekt, Sir.«
»Alternative?«
»Dass wir die Passagiere in die Kabinen schicken und anweisen, sie sollen sich vor der Kollision schützen.«
»Und was dann? Das Schiff geht binnen fünf Minuten unter!«
»Dann beladen und starten wir die Rettungsboote.«
»Aber ich habe doch gerade gehört, dass die Rettungsboote durch den Aufprall
entgleisen
könnten!« LeSeur merkte, dass er hyperventilierte. Er riss sich zusammen.
»Bei zwanzig Knoten wird weniger Schaden entstehen, die Wucht des Aufpralls wird geringer sein. Wenigstens ein paar Rettungsboote werden auf den Schienen bleiben. Und wenn der Aufprall nicht so stark ist, haben wir vielleicht mehr Zeit …, bevor wir sinken.«
»Vielleicht? Das reicht mir nicht.«
»Mehr haben wir nicht«, antwortete Halsey.
Wieder wischte sich LeSeur etwas Blut aus dem Auge und schnippte es weg. Dann wandte er sich nochmals an den Leitenden Funkoffizier. »Machen Sie eine Durchsage. Alle Passagiere sollen sich sofort in ihre Kabinen begeben – ausnahmslos. Sie sollen die Rettungswesten anlegen, die sie unter ihren Betten finden. Anschließend sollen sie sich in Embryonalstellung aufs Bett legen, mit den Füßen nach vorn, und sich mit Kissen und Decken schützen. Wenn sie ihre Kabine nicht erreichen können, sollen sie sich in den nächsten Stuhl setzen, den sie finden können, und die Schutzhaltung einnehmen – die Hände hinterm Kopf verschränkt, den Kopf zwischen den Knien.«
»Ja, Sir.«
»Sofort nach dem Aufprall haben sich alle zu ihren Rettungsboot-Versammlungsstationen zu begeben, genauso wie in den Übungen. Sie dürfen absolut nichts mitnehmen, nur ihre Schwimmweste. Verstanden?«
»Ja, Sir.« Er drehte sich wieder zu seinem Terminal um. Kurz darauf ertönte eine Sirene, und seine Stimme erklang über das öffentliche Durchsagesystem und gab die Anweisungen durch.
LeSeur wandte sich zu Emily Dahlberg um. »Ich nehme an, das gilt auch für Sie. Sie gehen jetzt besser in Ihre Kabine zurück.«
Sie erwiderte seinen Blick. Nach einem kurzen Moment nickte sie.
»Und – Mrs Dahlberg. Danke.«
Sie verließ die Brücke.
LeSeur schaute zu, wie sich die Lukentür hinter ihr schloss. Als Nächstes warf er einen ängstlichen Blick auf den Überwachungsmonitor, auf dem ein körniges Bild des Steuerrads des Schiffes zu sehen war. Mason stand immer noch dort, die eine Hand aufs Rad gelegt, die andere ruhte leicht auf den Gashebeln der beiden vorderen Pods und hielt durch kleine Anpassungen der Schraubengeschwindigkeit den Kurs.
LeSeur drückte die Ruftaste auf der internen Gegensprechanlage von Brücke zu Brücke und beugte sich vor. »Mason? Ich weiß, dass Sie mich hören können.«
Keine Antwort.
»Wollen Sie das
wirklich
machen?«
Wie zur Antwort bewegte sich ihre Hand vom Gashebel zu einem kleinen Instrumentenpult. Sie klappte die Abdeckung auf, zog zwei Hebel, kehrte zu den Gashebeln zurück und schob beide so weit nach vorn, wie es ging.
Man hörte ein kehliges Brummen, die Maschinen reagierten.
»Jesses«, sagte Halsey und starrte auf das Maschinenpult. »Sie jagt die Gasturbinen in den roten Bereich.«
Das Schiff stürmte voran. Mit Schaudern sah LeSeur, wie der
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