Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten
einheimischen Indianern im Tausch gegen wertlosen Tand im Wert von sechzig Gulden erworben hatte.
»Hübsches Investment«, sagte D’Agosta.
»Ein sehr schlechtes Investment«, widersprach Pendergast. »Wären die sechzig Gulden im Jahre 1626 zu fünf Prozent Zins plus Zinseszins investiert worden, so hätte sich eine Summe angesammelt, die den heutigen Wert des Grund und Bodens in Manhattan um ein Vielfaches übersteigt.« Pendergast leuchtete mit der Taschenlampe ins Dunkel. »Unseren Informationen zufolge wurde die Leiche zweiundzwanzig Rods nördlich des Tulpenbaums beerdigt, der einst neben diesem Denkmal stand.«
»Ist der Stumpf noch irgendwo zu sehen?«
»Nein. Der Baum wurde 1933 gefällt. Aber Wren hat eine alte Karte gefunden, auf der der Standort des Baums mit achtzehn Yards südwestlich des Denkmals angegeben wird. Ich habe die Daten schon ins GPS eingegeben.«
Pendergast ging in südwestliche Richtung und behielt das Gerät genau im Auge. »Hier.« Er wandte sich nach Süden. »22 Rods bei 16,5 Fuß pro Rod ergeben 360 Fuß.« Er drückte irgendwelche Knöpfe am GPS . »Folgen Sie mir bitte.«
Als sich Pendergast wieder in Bewegung setzte, ins Dunkel hinein, wirkte er in dem schwarzen Anzug geradezu wie ein Gespenst. D’Agosta folgte ihm und schob den schweren Sack höher auf seine Schulter. Der Geruch der Marsch und des Wattschlicks entlang des Spuyten Duyvil schlug ihm entgegen, und schon bald sah er durch die Bäume die Lichter der hohen Apartment-Gebäude am Steilufer von Riverdale, das direkt gegenüber auf der anderen Flussseite lag. Unvermittelt gelangten sie an den Waldrand, hinter dem sich eine große, grasbewachsene Fläche befand, die zu einem halbmondförmigen Kieselstrand hinabführte. Dahinter wirbelte und strudelte der Fluss, während die Lichter des Henry Hudson Parkway und der Apartment-Gebäude jenseits des Wassers glitzerten. Tiefe Nebelschwaden trieben über den Fluss; das Brummen eines Schiffs war zu hören.
»Warten Sie einen Moment«, sagte Pendergast leise und blieb am Rand der Bäume stehen.
Ein Polizeiboot kam langsam den Spuyten Duyvil heraufgefahren. Die gespenstische Form glitt in den Nebel hinein und wieder heraus, ein auf dem Dach angebrachter Scheinwerfer strich über den Strand. Sie gingen in die Hocke, gerade als das Licht über sie hinwegstrich und in den Wald schien.
»Verdammt«, murmelte D’Agosta. »Ich verstecke mich vor den eigenen Leuten. Das ist doch Wahnsinn.«
»Es ist die einzige Lösung. Können Sie sich vorstellen, wie lange es dauern würde, die erforderlichen Genehmigungen zur Exhumierung eines Toten zu erhalten, und zwar nicht auf einem Friedhof, sondern auf öffentlichem Grund, ohne eine Sterbeurkunde und mit lediglich ein paar Zeitungsartikeln als Quellen?«
»Das hatten wir doch schon alles.«
Pendergast erhob sich, trat aus dem Wald und ging durch das Seegras bis zum Kieselstrand. Richtung Osten, auf halbem Weg bis zu den Klippen, sah D’Agosta so gerade eben die riesige, baufällige Kirche des Ville, die sich wie eine Klaue über die Bäume erhob. Aus den Fenstern in den oberen Stockwerken drang ein matter gelblicher Lichtschein.
Pendergast blieb stehen. »Genau hier.«
D’Agosta blickte sich auf dem Kieselstrand um. »Keine Chance. Wer würde hier einen Toten beerdigen, an einer solch exponierten Stelle?«
»Hier kann man leichter graben. Und vor hundert Jahren war noch keines der Gebäude am Flussufer gegenüber erbaut worden.«
»Ist ja nett. Wie sollen wir denn eine Leiche ausgraben, während uns alle Welt dabei zusieht?«
»So schnell wie möglich.«
Mit einem Seufzer legte D’Agosta den Segeltuchsack auf den Boden, öffnete den Reißverschluss und holte Schaufel und Spitzhacke hervor. Pendergast schraubte die Stangen des Metalldetektors zusammen, setzte sich Kopfhörer auf, stöpselte sie in das Gerät und schaltete es ein. Er begann, den Boden abzusuchen.
»Jede Menge Metall hier«, sagte er.
Er schwang den Metalldetektor hin und her, hin und her und ging dabei langsam vorwärts. Nachdem er etwa anderthalb Meter zurückgelegt hatte, drehte er um und kam zurück. »Ich bekomme hier ein Dauersignal aus sechzig Zentimetern Tiefe.«
»Sechzig Zentimeter? Das kommt mir ziemlich flach vor.«
»Wren hat mir erklärt, dass seit der Zeit der Bestattung die Bodenerosion in dieser Region etwa einen Meter zwanzig betragen haben dürfte.« Pendergast legte den Metalldetektor zur Seite, zog das Jackett aus und hängte es auf
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