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Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten

Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten

Titel: Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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schmucklos. Pendergast begab sich am zeremoniellen Waschbecken vorbei zum Eingang des Teehauses und schob die dortige
shoji
langsam zur Seite.
    Dahinter lag der eigentliche Teeraum, elegant und sparsam eingerichtet. Pendergast blieb einen Moment im Eingang stehen und ließ den Blick schweifen, über die hängende Schriftrolle im Alkoven, die strengen Ikebana-Blumenarrangements, die Regale mit den penibel sauberen Bambusbesen und -löffeln, Teeschalen und anderen Gegenständen. Dann zog er die Schiebetür hinter sich zu, setzte sich nach
Geisha
-Art auf die Tatami-Matte und begann die anspruchsvollen Rituale der eigentlichen Zeremonie auszuführen.
    Eine Teezeremonie ist im Kern ein Ritual der Anmut und Vollkommenheit, bei dem es darum geht, einer Gruppe von Gästen Tee zu servieren. Pendergast war allein, führte die Zeremonie aber dennoch aus, und zwar für einen Gast, der nicht anwesend sein konnte.
    Sorgfältig füllte er die Kanne, maß den gemahlenen Tee ab, quirlte ihn so lange, bis er genau die richtige Konsistenz hatte, dann goss er den Tee in zwei erlesene Teeschalen aus dem 17. Jahrhundert. Die eine stellte er vor sich ab, die andere auf die gegenüberliegende Seite der Matte. So saß er einen Augenblick da und blickte in den Dampf, der in hauchzarten Kringeln aus seiner Schale emporstieg. Dann hob er – langsam, meditativ – die Schale an den Mund.
    Während er den Tee in kleinen Schlucken trank, ließ er zu, dass in seinem Geist gewisse Erinnerungen emporstiegen, eine nach der anderen, wobei er bei jeder einzelnen verweilte, bevor er zur nächsten überging. Der Gegenstand jeder Erinnerung war ein und derselbe. William Smithback jr., wie er ihm in einem Rennen gegen die Zeit dabei geholfen hatte, die Türen des Grabs des Senef aufzusprengen und die darin gefangenen Menschen zu befreien. Smithback, wie er zu Tode erschrocken auf dem Rücksitz eines entwendeten Taxis lag, während Pendergast durch den Stadtverkehr raste, um seinem Bruder Diogenes zu entkommen. Jetzt weiter zurück in der Zeit: Smithback sieht empört und entsetzt zu, wie Pendergast am Grab von Mary Greene das Rezept für das Arkanum verbrennt. Und noch weiter zurück abermals Smithback, wie er während des schrecklichen Kampfes mit den seltsamen Bewohnern des »Dachbodens des Teufels«, dem Tunnelsystem tief unter den Straßen von New York, neben ihm steht.
    Als die Teeschale geleert war, gab es keine weiteren Dinge mehr, über die es nachzudenken galt. Pendergast stellte die Schale zurück auf die Matte und schloss einen Augenblick die Augen. Dann schlug er sie wieder auf und blickte auf die immer noch volle andere Schale, die ihm gegenüberstand. Er seufzte leise, dann sagte er:
»Waga tomo yasurakani.«
    Lebe wohl, mein Freund.

[home]
8
    Zwölf Uhr mittags. D’Agosta drückte den Knopf des Aufzugs zum wiederholten Mal und fluchte leise. Er sah auf die Uhr. »Neun Minuten. Echt – jetzt warten wir hier schon neun beschissene Minuten.«
    »Sie müssen lernen, Ihre freie Zeit gut zu nutzen, Vincent«, sagte Pendergast leise.
    »Ach ja? Ich habe den Eindruck, dass auch Sie sich hier die Füße in den Bauch gestanden haben.«
    »Im Gegenteil. In den vergangenen neun Minuten habe ich mit großem Vergnügen über Miltons Anrufung der Götter im dritten Buch vom
Verlorenen Paradies
nachgedacht. Ich bin noch einmal die zweite Deklination der lateinischen Substantive durchgegangen – das Studium bestimmter lateinischer Deklinationen kann geradezu eine Vollzeitbeschäftigung sein –, und ich habe in Gedanken einen ausgesucht höflichen Brief entworfen, den ich den Ingenieuren zuzuschicken gedenke, die diesen Fahrstuhl entwickelt haben.«
    Ein quietschendes Rumpeln verkündete das Eintreffen des Fahrstuhls. Die Türen öffneten sich knarrend, der engen Kabine entströmten Ärzte, Schwestern und schließlich ein Leichnam auf einer Rollbahre. Sie stiegen ein, und D’Agosta drückte den Knopf mit der Bezeichnung b2.
    Langes Warten, dann schlossen sich rumpelnd die Türen. Der Fahrstuhl glitt so langsam nach unten, dass man kaum eine Bewegung wahrnahm. Nach einer erneuten, scheinbar endlosen Wartezeit öffneten sich die Türen quietschend, worauf ein gekachelter Kellergang zum Vorschein kam, der in grünliches fluoreszierendes Licht getaucht war und dessen Luft nach Formaldehyd und Tod roch. Ein Pförtner hinter einer Glasschiebetür bewachte eine verschlossene Stahltür.
    D’Agosta trat näher und zeigte seinen Dienstausweis.

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