Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten
und richtete sein Augenmerk auf die Wand des Kellers, die aus flachen, rauhen Granitquadern bestand, übereinandergesetzt und sorgfältig mit Mörtel zusammengefügt.
Seine Züge strafften sich vor Erkennen.
Schließlich konzentrierte er sich auf das Gerümpel, das überall herumlag. Vor ihm ragte ein ägyptischer Obelisk aus rissigem Gips empor, feucht und voller Spinnweben, in denen sich Mehltau verfangen hatte. Daneben stand der abgesägte Turm einer mittelalterlichen Burg, aus verrottetem Sperrholz, mitsamt Zinnen und Pechnasen, vielleicht ein Zehntel der Originalgröße. Daneben befand sich ein Haufen zerbrochener Gipsstatuen, gestapelt wie Klafterholz, in denen Pendergast kleine Kopien des
David
, der
Nike von Samotrake
und der
Laokoon-
Gruppe erkennen konnte; die Arme und Beine und Köpfe waren alle verheddert, abgebrochene Finger lagen überall auf dem Betonboden herum. Dann wieder fiel das Licht seiner Taschenlampe auf einen Fiberglas-Hai, mehrere Plastik-Skelette, eine primitive Stammes-Reliquie, geschnitzt aus Styropor, sowie ein menschliches Gehirn aus Gummi, aus dem ein Stück herausgebissen war.
Wegen des Gerümpels, das überall herumlag, kam er nur schlecht voran, außerdem verhinderte es, dass er das wahre Ausmaß der unterirdischen Räume abschätzen konnte. Während er sich durch den gespenstischen Stapel aus weggeworfenen Filmrequisiten – denn darum handelte es sich ohne Zweifel – bahnte, hielt er die Taschenlampe tief, dabei bewegte er sich möglichst schnell und leise. Obwohl die Requisiten kreuz und quer und ohne einen Hinweis auf eine erkennbare Ordnung herumlagen, waren sie und auch der Betonboden, auf dem sie lagen, ungewöhnlich sauber und staubfrei, was von einem übermäßigen Interesse seitens Estebans zeugte.
Der Lichtschein fiel mal dahin und mal dorthin, während Pendergast tiefer in dieses Durcheinander von Hollywood-Andenken vordrang. Die klaustrophobischen unterirdischen Räume verzweigten sich weiterhin, Raum für Raum, sie erstreckten sich über den Grundriss des derzeitigen Baus hinaus, in alle Arten von seltsamen und ungewöhnlichen Ecken und Winkeln, jeder mit alten Requisiten in verschiedenen Stadien der Baufälligkeit und des Verfalls, die meisten aus den großen Historienfilmen, für die Esteban bekannt war. Allmählich kam der Keller Pendergast endlos vor. Er musste zu einem älteren, größeren Gebäude gehört haben, das einst auf Estebans Anwesen stand.
Esteban. Er würde bald nach Hause kommen, wenn er es nicht bereits getan hatte. Die Zeit verstrich – kostbare Zeit, die Pendergast auf keinen Fall verschwenden durfte.
Er betrat den nächsten Kellerraum – einst gehörte er offenbar zu einem Räucherhaus, jetzt war er ausgestattet mit einem Folterstuhl, einem Galgen, einem Pranger und einer spektakulär realistischen Guillotine aus der Zeit der Französischen Revolution, Klinge kurz vor dem Herabsausen, der Korb darunter mit mehreren abgetrennten Wachsköpfen gefüllt, die Augen offen, die Münder zum Schrei aufgerissen.
Er ging weiter.
Er erreichte das Ende des letzten Kellerraums und näherte sich einer rostigen Eisentür, unverschlossen und einen Spaltbreit offen. Er schob sie auf und wunderte sich, dass sich die schwere Tür leise in geölten Angeln bewegte. Ein langer, schmaler Tunnelgang erstreckte sich ins Dunkel – ein Tunnel, der auf den ersten Blick aus dem rohen Erdreich gegraben zu sein schien. Pendergast trat einen Schritt vor, legte die Hand an eine Wand – und stellte fest, dass es sich gar nicht um Erde handelte, sondern um Gips, so angestrichen, als handelte es sich um Erde. Noch eine Filmrequisite, nachgerüstet zu etwas, das offenbar ein älterer Tunnel gewesen war. Aus der Richtung, in die der Tunnel verlief, folgerte Pendergast, dass er in die Scheune führte. Derartige Tunnelgänge, die das Haupthaus und die Scheune verbanden, waren auf den Höfen des 19. Jahrhunderts ein verbreitetes Merkmal.
Er leuchtete mit der Taschenlampe den düsteren Gang hinunter. Hier und da war der falsche Gips abgeblättert, dahinter kamen die gleichen gestapelten Granitsteine zum Vorschein, mit denen das Untergeschoss des Hauses errichtet worden war – und die im Video von Nora zu sehen waren.
Vorsichtig ging er den Tunnelgang hinunter. Sollte Nora hier auf dem Gelände festgehalten werden – und er war sich da sicher –, dann musste sie sich in einem Raum unterhalb der Scheune befinden.
Esteban betrat die Scheune durch die
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