Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten
verbrennen zu lassen?«
Die Frage war so bizarr, dass Nora einen Moment lang ganz verdattert war. Exakt dieser Frage war sie bisher ganz bewusst ausgewichen, auch wenn ihr klar war, dass sie sich ihr bald stellen musste.
»Ich weiß es nicht«, antwortete sie sehr viel knapper, als sie beabsichtigt hatte.
»Verstehe.« Unerklärlicherweise machte Hornby ein sorgenvolles Gesicht. Was er sie wohl als Nächstes fragen würde? »Wie gesagt, ich war auf einer Forschungsreise in Haiti.«
»Ja.«
Hornby wurde aufgeregt. »In Dessalines, wo ich damals lebte, wird manchmal Formalazen als Einbalsamierungsflüssigkeit anstatt der üblichen Mischung aus Formalin, Ethanol und Methanol verwendet.«
Das Gespräch nahm eine Wendung ins Surreale. »Formalazen?«, wiederholte Nora.
»Ja. Es ist weitaus giftiger und schwieriger in der Handhabung, aber die Leute dort ziehen es vor … na ja, aus gewissen Gründen. Manchmal erhöhen sie noch die toxische Wirkung, indem sie Rattengift hinzugeben. In bestimmten ungewöhnlichen Fällen – bei bestimmten Todes
arten
– bitten sie auch den Bestattungsunternehmer, den Mund des Toten zuzunähen.« Wieder zögerte er. »Und in solchen Fällen beerdigen sie ihn mit dem Kopf nach unten, Mund zur Erde, mit einem langen Messer in der Hand. Mitunter schießen sie der Leiche auch eine Kugel ins Herz und stoßen ein Eisenspitze hinein, um … na ja, sie
noch einmal zu töten
.«
Nora starrte den merkwürdigen kleinen Kurator ungläubig an. Sie hatte zwar schon immer gewusst, dass er ein Exzentriker war und dass seine seltsamen Studien ihn etwas zu tief berührten, aber das hier war so irrsinnig fehl am Platze, dass sie es kaum fassen konnte. »Wie interessant«, brachte sie hervor.
»Die Leute in Dessalines sind manchmal sehr vorsichtig, wenn es darum geht, ihre Toten beizusetzen. Sie folgen strengen Regeln, scheuen weder Kosten noch Mühe. Ein angemessenes Begräbnis kann bis zum Zwei- oder Dreifachen eines Jahresgehalts kosten.«
»Verstehe.«
»Noch einmal, es tut mir furchtbar leid.« Und damit faltete er die Zeitung auseinander, die er unterm Arm getragen hatte, und legte sie auf den Tisch. Es handelte sich um eine Ausgabe des
West Sider
vom selben Morgen.
Nora warf einen Blick auf die Schlagzeile.
REPORTER DER
TIMES
VON ZOMBI ERMORDET ?
Hornby tippte mit seinem Stummelfinger auf die Schlagzeile. »Auf genau diesem Gebiet habe ich gearbeitet. Voodoo. Obeah. Zombies – korrekt natürlich mit
ie
buchstabiert, nicht wie die das hier geschrieben haben. Aber der
West Sider
kriegt ja nie etwas richtig hin.« Er schnaubte verächtlich.
»Was …?« Nora war sprachlos, starrte nur auf die Schlagzeile.
»Wenn Sie sich also entschließen, Ihren Mann zu begraben, dann hoffe ich, dass Sie an meine Worte denken. Sollten Sie irgendwelche Fragen haben, Nora, ich bin immer für Sie da.«
Und dann, nach einem letzten, traurigen Lächeln, war der kleine Kurator verschwunden, aber die Zeitung hatte er auf dem Tisch liegen gelassen.
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10
Lautlos schnurrte der Rolls-Royce durch die heruntergekommene Kleinstadt Kerhonkson, glitt dahin auf einer Straße mit rissiger Asphaltdecke, vorbei an einer verlassenen Feriensiedlung und fuhr dann eine gewundene Straße hinab in ein düsteres, von tropfnassen Bäumen beherrschtes Flusstal. Noch eine letzte, enge Kurve, dann kam eine verwitterte viktorianische Villa in Sicht, daneben ein Komplex niedriger Backsteingebäude, die von einem Maschendrahtzaun umgeben waren. Ein in spätnachmittägliche Schatten getauchtes Schild verkündete, dass das Gebiet zum »Pflegeheim Willoughby Manor« gehörte.
»Mamma mia«, sagte D’Agosta. »Sieht aus wie ein Gefängnis.«
»Es handelt sich hier um einen der berüchtigteren Abschiebebahnhöfe für die Gebrechlichen und Alten im Staate New York«, erklärte Pendergast. »Die Akte, die das Gesundheitsamt über das Pflegeheim führt, quillt über von Berichten über Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen.«
Sie fuhren durch das offene Tor, vorbei an einem unbemannten Unterstand, dann über einen großen, leeren Besucherparkplatz, auf dem das Unkraut durch ein Netz von Rissen spross. Proctor brachte den Rolls vor dem Haupteingang zum Stehen. D’Agosta stieg aus und bereute schon jetzt, den angenehm weichen Sitz verlassen zu haben. Pendergast stieg ebenfalls aus. Nachdem sie das Gebäude durch eine Tür aus blindem Plexiglas betreten hatten, standen sie in einer Eingangshalle, in der es nach schimmeligen
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