Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten
Pendergast zustimmend nickte. »Nicht, dass das einen großen Unterschied macht«, fasste D’Agosta zusammen. »Wir wissen ja bereits, wer der Dreckskerl ist. Wir müssen ihn nur noch finden.«
Pendergast hob fragend die Brauen.
»Er wohnt hier im Haus. Wir haben zwei Augenzeugen, die den Täter gesehen haben, als er das Gebäude betreten, und zwei, als er es verlassen hat, von oben bis unten mit Blut besudelt, ein Messer in der Hand. Er hat Nora Kelly attackiert, als er die Wohnung verließ – hat es versucht, sollte ich sagen, aber der Kampf hat die Nachbarn alarmiert, und da ist er geflüchtet. Sie haben ihn genau erkannt, die Nachbarn, meine ich. Nora liegt im Moment im Krankenhaus – eine kleine Gehirnerschütterung, es dürfte ihr aber gut gehen. Na ja, den Umständen entsprechend gut.«
Pendergast nickte kurz.
»Der Arsch heißt Fearing. Colin Fearing. Arbeitsloser britischer Schauspieler. Apartment zwei-eins-vier. Er hat Nora ein paarmal in der Lobby belästigt. Für mich sieht das nach einer Vergewaltigung aus, die außer Kontrolle geraten ist. Fearing hatte vermutlich gehofft, Nora allein in der Wohnung anzutreffen, aber stattdessen war Smithback da. Kann sein, dass er den Schlüssel aus dem Schlüsselschrank des Hausmeisters entwendet hat. Ich lasse das gerade von einem Beamten überprüfen.«
Diesmal nickte Pendergast allerdings nicht bestätigend. Nur der übliche undurchdringliche Ausdruck lag in seinen tiefliegenden, blassblauen Augen.
»Wie auch immer, der Fall ist glasklar«, sagte D’Agosta, der sich trotzdem irgendwie in die Defensive gedrängt fühlte. »Nicht nur Nora hat ihn identifiziert. Er ist auf den Videobändern der Security des Gebäudes zu sehen, eine oscarreife Darstellung. Kommt rein und geht raus. Von dem Moment, als er das Gebäude verließ, haben wir eine Frontalaufnahme, wie er, Messer in der Hand, von oben bis unten mit Blut besudelt, seinen bedauernswerten Hintern durch die Lobby schleppt, den Doorman bedroht und dann abhaut. Wird bei den Geschworenen einen klasse Eindruck hinterlassen. Da kann sich der Dreckskerl nicht rausreden.«
»Ein glasklarer Fall, sagten Sie?«
Wieder hörte D’Agosta einen leisen Zweifel in Pendergasts Stimme. »Ja«, sagte er bestimmt. »Glasklar.« Er sah auf die Uhr. »Der Doorman wird im Moment befragt, meine Leute warten auf mich. Er wird einen fabelhaften Zeugen abgeben, ein verlässlicher, solider Familienvater, der den Täter seit Jahren kannte. Möchten Sie ihm irgendwelche Fragen stellen, bevor wir ihn nach Hause schicken?«
»Mit dem größten Vergnügen. Aber bevor wir nach unten gehen …« Pendergast unterbrach sich. Mit seinen spinnedünnen weißen Fingern griff er in die Brusttasche seines schwarzen Anzugs und zog ein gefaltetes Dokument hervor. Mit eleganter, knapper Handbewegung hielt er es D’Agosta hin.
»Was ist das?« D’Agosta nahm das Schriftstück entgegen, faltete es auseinander und betrachtete den roten notariellen Stempel, das
Große Siegel der Stadt New York
, den edlen Druck, die Unterschriften.
»Colin Fearings Sterbeurkunde. Vor zehn Tagen unterschrieben und datiert.«
[home]
3
Gefolgt von der etwas gespenstischen Erscheinung Pendergasts betrat D’Agosta das kleine Security-Kabuff des Gebäudes 666 West End Avenue. Der Doorman, ein rundlicher Herr aus der Dominikanischen Republik namens Enrico Mosquea, saß mit gespreizten Beinen auf einem Metallhocker. Er trug einen schmalen Schnurrbart und eine gekräuselte Marcel-Welle zur Schau. Bei ihrem Eintritt sprang er erstaunlich behende auf.
»Sie diesen Sohn einer Hure finden«, sagte er leidenschaftlich. »Sie ihn finden. Mr. Smithback, er ein guter Mensch. Ich sage Ihnen …«
D’Agosta legte sanft eine Hand auf die adrette braune Uniform des Mannes. »Das hier ist Special Agent Pendergast vom FBI . Er wird uns helfen.«
Er musterte Pendergast. »Gut. Sehr gut.«
D’Agosta holte tief Luft. Er hatte noch nicht ganz begriffen, was das Dokument, das Pendergast ihm gezeigt hatte, bedeutete. Vielleicht hatten sie es hier ja mit einem Zwilling zu tun. Möglicherweise gab es zwei Colin Fearings. New York war eine große Stadt, und die Hälfte der Briten in der Stadt hieß mit Vornamen offenbar Colin. Womöglich war dem Rechtsmedizinischen Institut ein furchtbarer Fehler unterlaufen.
»Ich weiß, Sie haben schon sehr viele Fragen beantwortet, Mr. Mosquea«, fuhr D’Agosta fort, »aber Agent Pendergast hat noch ein paar.«
»Keine Schwierigkeit. Ich
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