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Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten

Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten

Titel: Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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Offenbar war die Kirche in Schichten errichtet worden; jede Schicht war ein wenig breiter als die darunterliegende, dadurch war eine Art auf dem Kopf stehender Zikkurat entstanden, der irgendwie finster und bedrohlich wirkte. Die große Mehrzahl der Fenster befand sich weit oben an den Seitenwänden. Jene Fenster, die nicht zugemauert waren, waren mit hellgrünem Schiffsglas versehen, einige allerdings auch mit Öltuch oder Wachspapier. Aus dieser nahen Entfernung war der Schein von Kerzenlicht deutlich auszumachen. In Augenhöhe, wie für sie geschaffen, befand sich ein einzelnes Fenster – klein und rechteckig.
    »Unglaublich, dass es in Manhattan immer noch einen Ort wie diesen gibt«, sagte Nora.
    »Unglaublich, dass er überhaupt überdauern konnte. Und was machen wir jetzt?«
    »Warten. Mal sehen, ob jemand da ist.«
    »Wie lange?«
    »Zehn, fünfzehn Minuten. Genug Zeit, dass ein Wachmann, wenn es einen gibt, seine Runde gedreht hat. Dann könnten wir uns vielleicht etwas näher heranschleichen. Vergessen Sie nicht, sich alles zu notieren. Die Leserschaft des
West Sider
soll einen richtig guten Eindruck von dem hier bekommen.«
    »Na klar.« Caitlyns Stimme bebte, ihre Hand hielt das Notizbuch fest umklammert.
    Nora setzte sich auf den Boden und wartete. Dabei spürte sie, wie das rauhe Amulett am Hals kratzte. Sie zog es hervor und betrachtete es. Es sah genauso seltsam aus wie die Fetische, die vor ihrer Wohnung zurückgelassen worden waren: Federbüschel, der Wildlederbeutel. Pendergast hatte es ihr aufgedrängt, sie hatte ihm versprechen müssen, den Chamoisbeutel jederzeit am Körper zu tragen. Zwar war er wohl in New Orleans aufgewachsen, aber eigentlich kam er ihr nicht vor wie einer, der an Voodoo glaubte – oder doch? Sie ließ das Amulett wieder los, wobei sie sich etwas albern vorkam. Sie war froh, dass Caitlyn es nicht bemerkt hatte.
    Ein leises Geräusch, und sofort war sie hellwach. Es hatte soeben in der Dunkelheit angefangen, ein leises Summen, ähnlich dem Zirpen monströser Zikaden, und es dauerte einen Moment, bis sie erkannte, dass es aus der Kirche kam. Es wurde lauter und klarer; der Klang von tiefem Gesang. Nein, das war kein herkömmlicher Gesang – eher ein Sprechgesang.
    »Haben Sie das gehört?«, fragte Caitlyn mit deutlich gepresster Stimme.
    Nora nickte.
    Der Sprechgesang schwoll an, gleichzeitig wurde die Klangfarbe tiefer. Er tremolierte, stieg und fiel in einen komplizierten Rhythmus. Caitlyn fröstelte und zog sich die Jacke fester um die Schultern.
    Während sie warteten und angestrengt lauschten, wurde der Sprechgesang schneller und intensiver. Jetzt wurde er langsam lauter, nach und nach.
    »Scheiße, mir gefällt das gar nicht«, sagte Caitlyn.
    Nora legte ihr einen Arm um die Schultern. »Bleiben Sie einfach still sitzen. Niemand weiß, dass wir hier sind. Im Dunkeln sind wir unsichtbar.«
    »Ich hätte nicht mitkommen sollen. Das war keine gute Idee.«
    Nora merkte, dass Caitlyn bibberte. Komisch, dass sie selber keine Angst empfand. Das hatte sie Bills Tod zu verdanken. Im Grunde handelte es sich nicht um Furchtlosigkeit, sondern völlige Gefühllosigkeit. Jetzt, wo er tot war – was konnte da noch Schlimmeres kommen? Selbst zu sterben wäre eine Art Erlösung.
    Der Sprechgesang wurde drängender, schneller und schneller. Und dann ertönte ein neuer Laut – das Blöken eines Schafs.
    »O nein«, murmelte Nora. Der Brummton klang jetzt hoch und schnell, fast wie eine Maschine, ähnlich dem Brummen eines riesengroßen Transformators. Das Tier blökte noch zweimal, untermalt von dem Brummton, höher und verängstigt. Nora war klar, was kommen würde; sie wollte sich die Ohren zuhalten, wusste aber, dass sie es nicht können würde.
    »Das hier braucht einen Zeugen.« Sie erhob sich.
    Caitlyn packte sie am Arm. »Nein. Warten Sie, bitte.«
    Nora schüttelte sie ab. »Das ist genau das, weswegen wir hergekommen sind.«
    »
Bitte
. Die werden uns sehen.«
    »Niemand wird mich sehen.«
    »Warten Sie –!«
    Aber Nora war schon aufgesprungen und lief geduckt mitten über das Feld. Das Gras unter ihren Füßen war feucht und glitschig. Sie lehnte sich flach an die rückwärtige Mauer der alten Kirche, schlich daran entlang auf das kleine gelbe Fenster zu, blieb stehen, dann blickte sie mit klopfendem Herzen hinein.
    Ein Urinal, altersbraun; zerbrochener Nachttopf aus Porzellan; Nachtstuhl, dessen Holz gesplittert war. Ein uralter, leerer Abort.
    Verdammt
. Sie glitt

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