Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit
sich.
Der Streifenwagen bog auf die Einfahrt vor einem Haus. Hayward fuhr hinterher und parkte daneben. Als sie ausstieg, sah sie ein bescheidenes Farmhaus, mit gepflegten Blumenbeeten davor und eingerahmt von zwei Magnolien.
Die beiden Polizisten, die sie zum Haus von Blackletter eskortiert hatten, ein Sergeant vom Morddezernat und ein Streifenbeamter, stiegen aus ihrem Wagen, zogen die Gürtel hoch und kamen auf sie zu. Der Weiße, Officer Field, hatte karottenfarbenes Haar, ein rotes Gesicht und schwitzte stark. Der andere, Sergeant Detective Cring, verströmte eine fast übermäßige Ernsthaftigkeit; ein Mann, der seine Pflicht erfüllte, auf jedes i einen Punkt setzte und bei keinem t den Querstrich vergaß.
Das Häuschen war, so wie die angrenzenden Häuser, weiß gestrichen, hübsch und gepflegt. Ein Absperrband, vom Wind losgerissen, flatterte über den Rasen oder ringelte sich um die Verandasäulen. Das Schloss der Haustür war mit orangefarbenem Tatort-Klebeband versiegelt.
»Captain«, sagte Cring, »möchten Sie das Grundstück untersuchen oder sich lieber im Haus umschauen?«
»Erst einmal das Haus, bitte.«
Sie betrat hinter den beiden Beamten die Veranda. Ihr unangekündigtes Eintreffen in der Polizeiwache von St. Francisville war ein großes Ereignis gewesen, allerdings zunächst kein freudiges. Man war gar nicht glücklich, dass ein Captain – und zwar ein weiblicher! – des New Yorker Morddezernats in einem schicken Sportwagen aufkreuzte und ohne Vorwarnung oder Status als Verbindungsoffizier, ja ohne einen höflichen Anruf aus dem hohen Norden, anfing, in einem lokalen Mord zu ermitteln. Doch Hayward war es gelungen, den Argwohn mit freundlichem Smalltalk über ihre Zeit bei der Polizei in New Orleans zu zerstreuen, und so waren sie alle ziemlich bald gute Kumpel. Zumindest hoffte sie das.
»Wir schauen uns alle Räume an«, fuhr Cring fort, als er vor die Haustür trat. Er holte ein Taschenmesser hervor und durchtrennte das Klebeband. Weil das Schloss aufgebrochen worden war, schwang die Tür auf.
»Was ist mit der hier?«, fragte Hayward und zeigte auf eine Beweismittel-Kiste, die neben der Tür stand.
»Der Tatort wurde bereits gründlich durchsucht«, sagte Cring. »Sie müssen nichts mehr tun.«
»Okay.«
»Der Fall ist ziemlich klar«, sagte Cring, als sie das Haus betraten, in dem es abgestanden und ein wenig modrig roch.
»Klar in welcher Hinsicht?«
»Es war ein Raubüberfall, der schiefgegangen ist.«
»Und woraus schließen Sie das?«
»Das Haus wurde durchwühlt, mehrere elektronische Geräte wurden gestohlen – ein Flachbildschirm, zwei Computer, die Stereoanlage. Sie können sich das ja gleich selber ansehen.«
»Vielen Dank.«
»Die Tat hat sich zwischen zehn und elf Uhr abends ereignet. Der Täter hat, wie Sie vermutlich bemerkt haben, die Haustür mit einem Stemmeisen aufgebrochen und ist durch diesen Flur in den Hobbyraum gegangen, wo Blackletter an seinen Robotern herumbastelte.«
»Robotern?«
»Blackletter war ein Roboterfan. Es war sein Hobby, solche Dinge herzustellen.«
»Der Täter ist also geradewegs von hier in den Hobbyraum gegangen?«
»So sieht’s aus. Er hat offenbar gehört, dass sich Blackletter in dem Zimmer befand, und beschlossen, ihn erst auszuknocken, bevor er das Haus leer räumt.«
»Stand Blackletters Wagen vorm Haus?«
»Ja.«
Hayward betrat hinter Cring den Hobbyraum. Auf einem langen Tisch lagen Metall- und Plastikteile, Drähte, Leiterplatten und diverse kleine Geräte. Auf dem Fußboden darunter prangte ein großer dunkler Fleck, die Wand aus Betonschalsteinen war mit Blut bespritzt und durchsiebt von Schrotkugeln. Die Markierhütchen und Pfeile der Spurensicherung waren noch an ihrem Platz.
Schrotflinte, dachte Hayward. Genau wie bei Blast.
»Es war eine abgesägte Flinte«, sagte Cring. »Kaliber zwölf, auf Grundlage der Analyse der Blutspritzer und der gefundenen Schrotkügelchen. Gewicht: acht Kugeln pro Unze.«
Hayward nickte. Sie inspizierte die Tür zum Hobbyraum: dickes Metall mit einer Schicht aus harter Schallisolierung, die von innen daran festgeschraubt war. Wände und Decke waren ebenfalls gut schallisoliert. Ob Blackletter wohl bei offener oder bei geschlossener Tür gearbeitet hatte? Falls er pingelig war – was offenbar zutraf –, hielt er die Tür vermutlich geschlossen, damit kein Staub und Schmutz aus der Küche ins Zimmer drangen.
»Nachdem der Täter das Opfer erschossen hat«, fuhr Cring
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