Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit
Job ist nicht das Einzige, was du zurücklässt.«
D’Agosta betrat das Zimmer und setzte sich auf die Bettkante. »Ich habe geschworen, dich nie wieder zu belügen. Und deshalb erzähle ich dir alles. Versteh doch, du bist das Wichtigste in meinem Leben.« Er holte tief Luft. »Wenn du mir sagst, ich soll bleiben, dann bleibe ich.«
Sie sah ihn verständnislos an. Dann wurden ihre Gesichtszüge weicher, und sie schüttelte den Kopf. »Du weißt genau, dass ich das nicht kann. Ich würde mich niemals zwischen dich und diese … diese Aufgabe stellen.«
Er fasste ihre Hand. »Ich komme so schnell wie möglich wieder. Und rufe jeden Tag an.«
Sie strich sich eine lose Haarsträhne hinters Ohr. »Hast du es Glen schon gesagt?«
»Nein. Ich bin von Pendergasts Wohnung direkt hierhergefahren.«
»Na ja, du solltest Glen anrufen und ihm mitteilen, dass du dich beurlauben lassen willst, Datum der Rückkehr unbekannt. Dir ist hoffentlich klar, dass er ablehnen kann. Und was machst du dann?«
»Ich muss das einfach tun.«
Hayward schlug die Bettdecke zur Seite und schwang die Beine aus dem Bett. Als sein Blick auf ihre Beine fiel, verspürte er plötzlich einen Stich körperlichen Begehrens. Wie konnte er diese wunderschöne Frau verlassen, und wenn nur für einen Tag – von einer Woche, einem Monat … einem Jahr ganz zu schweigen?
»Ich helfe dir beim Packen.«
Er räusperte sich. »Laura –«
Sie legte einen Finger auf seine Lippen. »Es ist besser, wenn du schweigst.«
Er nickte.
Sie beugte sich zu ihm vor und küsste ihn sanft. »Aber versprich mir bitte eines.«
»Alles.«
»Versprich mir, dass du gut auf dich aufpasst. Es würde mir nicht viel ausmachen, wenn Pendergast bei dieser sinnlosen Geschichte ums Leben käme. Aber wenn dir etwas zustößt, werde ich sehr böse sein. Und du weißt ja, wie unangenehm das sein kann.«
9
Flüsterleise glitt der Rolls, mit Proctor am Steuer, über die Brooklyn-Queens-Stadtautobahn südlich der Brooklyn Bridge. D’Agosta beobachtete, wie zwei Schlepper einen riesigen Lastkahn, der mit Autos aus der Schrottpresse beladen war, den East River hinaufbugsierten und dabei schaumiges Kielwasser aufwirbelten. Die ganze Sache war so schnell gegangen, dass er noch immer keine richtige Einstellung dazu gefunden hatte. Zwar fuhren sie in Richtung John F. Kennedy-Airport, aber vor dem Abflug mussten sie – wie Pendergast erklärt hatte – noch einen kurzen, aber notwendigen Zwischenstopp einlegen.
»Vincent«, sagte Pendergast, der ihm gegenübersaß, »wir müssen uns auf eine Verschlechterung gefasst machen. Wie man mir sagte, geht es Großtante Cornelia schon seit geraumer Zeit nicht sehr gut.«
D’Agosta verlagerte seine Sitzposition. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich verstehe, warum es so wichtig ist, sie zu besuchen.«
»Möglicherweise kann sie ein wenig Licht in die Situation bringen. Helen gehörte zu ihren großen Lieblingen. Außerdem möchte ich sie wegen einiger familiärer Angelegenheiten befragen, die, wie ich fürchte, mit dem Mord in Beziehung stehen könnten.«
D’Agosta brummte irgendetwas. Tante Cornelia war ihm ziemlich egal. Mehr noch: Er konnte die mordlustige alte Hexe auf den Tod nicht ausstehen. Außerdem waren seine wenigen Besuche im Mount Mercy Hospital nicht gerade angenehm verlaufen. Aber wenn man mit Pendergast zusammenarbeitete, war es immer ratsam, mit dem Strom zu schwimmen.
Nachdem sie die Stadtautobahn verlassen hatten, fuhren sie auf diversen Nebenstraßen weiter und überquerten schließlich eine schmale Brücke hinüber nach Little Governor’s Island, danach mäanderte die Straße durch Marschland und Wiesen, überzogen von morgendlichen Nebelschwaden, die zwischen dem Röhricht waberten. Schließlich gelangten sie auf eine Eichenallee, einst Teil der prachtvollen Zufahrt zu einem großen Anwesen, auch wenn die Äste jetzt wie tote, dem Himmel entgegengestreckte Krallen aussahen.
Proctor brachte den Rolls am Wachhäuschen zum Stehen, woraufhin ein uniformierter Mann heraustrat. »Also, Mr. Pendergast, das ging ja flott.« Er winkte sie durch, ohne sie mit den üblichen Formalitäten zu belästigen.
»Was hat er damit gemeint?«, fragte D’Agosta und blickte über die Schulter zum Wachmann zurück.
»Keine Ahnung.«
Proctor stellte den Rolls auf dem kleinen Parkplatz ab, und sie stiegen aus. Als sie das Haus betraten, wunderte sich D’Agosta ein wenig, dass die Empfangsdame nicht hinter ihrem reichverzierten
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