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Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit

Titel: Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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weit, weit weg – im Lift bis ins Erdgeschoss.

18
    Pendergast wünschte Maurice eine gute Nacht, nahm sich das Glas mit dem Rest einer Flasche Romanie-Conti 1964, die er zum Abendessen geöffnet hatte, und ging über den hallenden Mittelflur des Penumbra-Plantagenhauses in die Bibliothek. Vom Golf vom Mexiko kommend war ein Gewitter übers Land gezogen, der Wind ließ das Haus ächzen und die Fensterläden knarren und fuhr in das nackte Geäst der Bäume ringsumher. Regentropfen prasselten gegen die Fenster, schwere, dräuende Wolken verdunkelten den Vollmond.
    Pendergast näherte sich dem Bücherschrank mit Glasfront, der die wertvollsten Bücher der Familie enthielt: einen Zweitdruck von Shakespeares
First Folio;
Johnsons
Wörterbuch,
die zweibändige Ausgabe aus dem Jahr 1755; ein Exemplar aus dem 16. Jahrhundert der
Les Tres Riches Heures du Duc de Berry
in der originalen Illustration der Brüder Limburg. Die vier Bände von Audubons Doppelelefantenfolio der
Vögel Amerikas
hatten ihre eigene Schublade unten im Bücherschrank.
    Er streifte weiße Baumwollhandschuhe über, zog die vier riesigen Bände hervor und legte sie nebeneinander auf den Refektoriumstisch in der Mitte der Bibliothek. Jeder Band maß mehr als neunzig mal hundertzwanzig Zentimeter. Er wandte sich dem ersten zu und schlug ihn mit äußerster Sorgfalt auf der Seite mit dem ersten Stich auf: Wilder Truthahn, männlich. Das umwerfend schöne Bild, so frisch wie am Tag, als es gemalt wurde, war derart lebensecht, dass es schien, als würde das Tier einem entgegenspringen. Die Ausgabe, eine von nur 200, deren reich verziertes Exlibris und originale Widmung noch immer das Vorsatzblatt zierten, war von Pendergasts Vorfahren auf dem Wege der Subskription direkt von Audubon erworben worden. Es war das kostbarste Buch, das je in der Neuen Welt hergestellt worden war, und heute an die zehn Millionen Dollar wert.
    Langsam blätterte Pendergast die Seiten um: der
Gelbschnabelkuckuck,
der
Zitronenwaldsänger,
der
Purpurgimpel
 … Er betrachtete die Vögel eingehend, einen nach dem anderen, Bildtafel um Bildtafel, bis er schließlich zur Abbildung 26 gelangte: der
Karolinasittich.
    Er schob die Hand in die Innentasche seines Jacketts und zog ein Blatt Papier heraus, auf dem er sich Notizen gemacht hatte.
    Karolinasittich (Conuropsis carolinensis)
    Einzige in den östlichen USA beheimatete Papageienart. Wurde 1939 für ausgestorben erklärt.
    Letztes wildlebendes Exemplar wurde 1904 in Florida getötet; letzter Vogel in Gefangenschaft, »Incas«, starb 1918 im Zoo von Cincinnati.
    Waldrodungen; getötet wegen der Federn, um Damenhüte anzufertigen, getötet von Farmern, die die Vögel für eine Plage hielten, wurden in großer Zahl als Haustiere gehalten.
    Hauptgrund des Aussterbens: das Verhalten des Schwarms. Wenn einzelne Vögel geschossen wurden und zu Boden fielen, landete der Schwarm, anstatt zu flüchten, auf dem Boden und versammelte sich um den Toten oder Verletzten, so als wollten sie helfen, was schließlich zur Auslöschung des gesamten Schwarms führte.
    Pendergast faltete das Blatt Papier zusammen, steckte es wieder ein und schenkte sich ein Glas Burgunder ein. Während er es austrank, schien er diesen ganz erstaunlichen Wein kaum zu schmecken.
    Nun wusste er – und das war enorm kränkend –, dass sein erstes Treffen mit Helen kein Zufall gewesen war. Und doch konnte er es kaum fassen. Aber die Verbindung seiner Familie zu James Audubon war doch sicherlich nicht der Grund, warum sie ihn geheiratet hatte? Sie hatte ihn geliebt, ganz bestimmt, und dennoch wurde ihm zunehmend klar, dass seine Frau ein Doppelleben geführt hatte. Es war eine bittere Ironie: Helen war der einzige Mensch auf der Welt gewesen, dem er vertraut, dem er sich geöffnet hatte – und in der ganzen Zeit hatte sie ein Geheimnis vor ihm bewahrt. Und während er sich noch ein Glas Wein eingoss, dachte er darüber nach, dass er, weil er ihr vertraut hatte, nie hinter ihr Geheimnis gekommen war, das ihm bei jedem anderen Freund sofort aufgefallen wäre.
    Das alles war ihm klar. Und doch war es ohne Gewicht verglichen mit den noch offenen Fragen, die ihm geradezu ins Auge sprangen:
    Was steckte dahinter, dass Helen offensichtlich von Audubon fasziniert war, und warum hatte sie so viel Sorgfalt darauf verwandt, ihr unbestreitbares Interesse an dem Maler vor ihm zu verbergen?
    Was für eine Verbindung bestand zwischen Helens Interesse an Audubons berühmten Stichen und

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