Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit
Gewitterwolken aufgezogen.
»Nichts«, beantwortete er Pendergasts Frage und schilderte ihm den entmutigenden Vormittag. »Vielleicht hat sich die alte Lady ja falsch erinnert. Oder hat uns bloß verarscht, um noch einen Zwanziger einzustecken. Wie war’s bei Ihnen?«
Das Essen kam. Mit einem fröhlichen »Da wären wir!« stellte die Kellnerin ihnen die Teller hin. Schweigend betrachtete Pendergast sein Gericht, löffelte ein Fischstückchen aus der Suppe und betrachtete es eingehend.
»Darf ich Ihnen noch ein Bier bringen?«, fragte sie D’Agosta und strahlte.
»Warum nicht?«
»Und eine Club-Soda für Sie?«, fragte sie Pendergast.
»Nein danke, die hier reicht mir.«
Beschwingten Schritts verließ die Kellnerin ihren Tisch.
D’Agosta wandte sich zu Pendergast um. »Nun? Hatten Sie Glück?«
»Eine Sekunde.« Pendergast holte sein Handy hervor und wählte. »Maurice? Wir übernachten hier in Sunflower. Ganz recht. Gute Nacht.« Er steckte das Handy wieder ein. »Meine Erfahrungen, fürchte ich, waren ebenso entmutigend wie Ihre.« Das Funkeln in seinen Augen und das ironische Lächeln straften seine vermeintliche Enttäuschung allerdings Lügen.
»Wie kommt es eigentlich, dass ich Ihnen nicht glaube?«, fragte D’Agosta schließlich.
»Passen Sie mal gut auf, ich werde an unserer Kellnerin gleich ein kleines Experiment durchführen.«
Die Kellnerin kam mit D’Agostas Bud und einer frischen Serviette zurück. Während sie beides vor ihm abstellte, sagte Pendergast in seiner melodiösesten Stimme, wobei er seinen Akzent noch hervorkehrte: »Meine Liebe, dürfte ich Ihnen vielleicht eine Frage stellen?«
Mit einem kecken Lächeln drehte sie sich zu ihm um. »Schießen Sie los, junger Mann.«
Betont umständlich zog Pendergast ein kleines Notizbuch aus seiner Jacketttasche. »Ich bin Reporter oben in New Orleans und stelle gerade Recherchen über eine Familie an, die hier früher mal gelebt hat.« Er klappte das Notizbuch auf und blickte erwartungsvoll zu der Kellnerin auf.
»Wie heißt die Familie?«
»Doane.«
Hätte Pendergast gesagt, er wolle das Lokal ausrauben, die Reaktion hätte nicht dramatischer ausfallen können. Die Miene der Frau verschloss sich sofort, wurde leer und ausdruckslos, die Augen wurden zugekniffen. Auch die Keckheit verschwand augenblicklich.
»Darüber weiß ich nichts«, murmelte sie. »Da kann ich Ihnen leider nicht helfen.« Und damit drehte sie sich um, verließ den Tisch und schob sich durch die Tür zur Küche.
Pendergast steckte das Notizbuch wieder ein und wandte sich zu D’Agosta zu. »Nun, was halten Sie von meinem kleinen Experiment?«
»Woher zum Teufel haben Sie gewusst, dass die so reagieren würde? Die verschweigt uns doch offensichtlich irgendetwas.«
»Das, mein lieber Vincent, ist genau der Punkt.« Pendergast trank noch einen Schluck Club-Soda. »Ihr Verhalten passt ins Bild. Alle Leute in der Stadt reagieren auf die gleiche Weise. Ist Ihnen während Ihrer Erkundigungen heute Nachmittag denn nicht ein gewisses Maß an Zögerlichkeit und Argwohn aufgefallen?«
D’Agosta überlegte. Es stimmte zwar, niemand war besonders zuvorkommend gewesen, aber er hatte das schlichtweg auf die Trotzigkeit der Kleinstädter geschoben, das Misstrauen gegen irgend so einen Yankee, der in ihre Stadt geschneit kam und jede Menge Fragen stellte.
»Während meiner Nachforschungen«, fuhr Pendergast fort, »bin ich auf ein zunehmend verdächtiges Ausmaß an Vernebelung und Leugnung gestoßen. Und als ich schließlich einen älteren Herrn um Informationen anging, hat er mir hitzig beschieden, dass die Geschichten über die Doanes nichts als Geschwätz seien, ganz gleich, was ich sonst gehört hätte. Natürlich habe ich danach angefangen, mich nach der Familie Doane zu erkundigen. Und da habe ich dann eine ähnliche Antwort bekommen, wie Sie sie gerade eben gehört haben.«
»Und weiter?«
»Ich habe das Büro des Lokalblatts aufgesucht und gebeten, die alten Ausgaben sehen zu dürfen, beginnend ungefähr ab dem Zeitpunkt, als Helen hier war. Dort verweigerte man mir die Mithilfe, so dass das hier«, Pendergast zog seine Dienstmarke hervor, »notwendig war, damit man sich eines Besseren besann. Wie ich feststellte, waren in den Jahren um Helens Besuch hier in der Stadt in bestimmten Ausgaben des Lokalblatts mehrere Seiten sorgfältig herausgeschnitten worden. Ich habe mir notiert, um welche Ausgaben es sich handelt, und bin anschließend die Landstraße
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