Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit
offenbar nicht wissen – als Zeichen meines Vertrauens.«
Erst das Zuckerbrot, dann die Peitsche, dachte D’Agosta. Doch was bezweckte Pendergast mit der Befragung?
»Ich habe den Beweis, dass Audubon das Bild Torgensson geschenkt hat«, sagte Pendergast.
Blast beugte sich vor; plötzlich war er interessiert. »Den Beweis, sagen Sie?«
»Ja.«
Es folgte ein langes Schweigen. Blast setzte sich zurück. »Nun gut, ich bin heute mehr denn je davon überzeugt, dass das Bild verschwunden ist. Zerstört, als Torgenssons letzter Wohnsitz abbrannte.« Blast sah ihn lange an. »Es gibt vieles, was Sie nicht wissen, Mr. Pendergast. Port Allen war
nicht
Dr. Torgenssons letzter Wohnsitz.«
Pendergast konnte seine Überraschung nicht verhehlen. »In der Tat?«
»In seinen letzten Lebensjahren geriet Torgensson in beträchtliche finanzielle Nöte. Er wurde von Gläubigern verfolgt: von Banken, lokalen Händlern, sogar von der Stadt wegen nicht entrichteter Steuern. Am Ende wurde das Haus in Port Allen zwangsversteigert, und er ist in ein Shotgun-Haus am Fluss gezogen.«
»Woher wissen Sie das alles?«, wollte D’Agosta wissen.
Statt zu antworten, stand Blast auf und verließ das Zimmer. D’Agosta hörte, wie eine Tür geöffnet und in einer Schublade gekramt wurde. Kurz darauf kam er mit einer Aktenmappe in der Hand zurück, die er Pendergast reichte. »Torgenssons Kreditunterlagen. Schauen Sie sich mal den Brief an, der ganz oben liegt.«
Pendergast zog ein vergilbtes Blatt Buchhaltungspapier aus der Mappe, das an einer Seite grob eingerissen war. Es handelte sich um ein Schreiben mit dem Briefkopf der Detektei Pinkerton. Er begann zu lesen.
»Er hat es. Der Bursche hat es. Aber es gelingt uns nicht, es ausfindig zu machen. Wir haben das kleine Haus von oben bis unten durchsucht. Es ist genauso leer wie das Haus in Port Allen. Nichts Wertvolles ist übrig geblieben, mit Sicherheit kein Gemälde von Audubon.«
Pendergast legte das Schreiben in die Mappe zurück, überflog weitere Dokumente, dann klappte er die Mappe zu. »Und Sie, äh, haben diesen Bericht
entwendet,
um Ihrer Konkurrentin das Leben schwerzumachen, nehme ich an.«
»Es hat ja keinen Sinn, seinen Gegnern zu helfen.« Blast nahm die Mappe wieder an sich und legte sie neben sich auf das Sofa. »Aber am Ende war sowieso alles umsonst.«
»Und warum?«, fragte Pendergast.
»Weil ein paar Monate nach Torgenssons Umzug ins Shotgun-Haus dieses von einem Blitz getroffen wurde, so dass es bis auf die Grundmauern niederbrannte – mit Torgensson darin. Falls er das verschollene Bild anderswo versteckt hatte, dann ist dieser Ort längst vergessen. Und falls er es irgendwo im Haus aufbewahrt hatte, so ist es mit allem anderen verbrannt.« Blast zuckte mit den Achseln. »Und das war der Zeitpunkt, an dem ich die Suche schließlich aufgegeben habe. Nein, Mr. Pendergast, ich fürchte, das Schwarzgerahmte existiert nicht mehr. Ich weiß es, denn ich habe zwanzig Jahre meines Lebens mit der Suche danach vergeudet.«
»Ich glaube dem Kerl kein Wort«, sagte D’Agosta, während sie im Fahrstuhl zur Eingangshalle hinunterfuhren. »Er wollte uns nur weismachen, dass Helen das Gemälde nicht besitzen wollte, um sein Motiv zu verbergen – nämlich ihr zu schaden. Er wollte sich absichern, damit wir ihn nicht des Mordes verdächtigen, so einfach ist das.«
Pendergast gab ihm keine Antwort.
»Der Typ ist ja nicht dumm, da hätte man gedacht, er würde sich eine etwas weniger lahme Ausrede einfallen lassen«, fuhr D’Agosta fort. »Beide waren hinter dem Bild her, und Helen war allzu nahe herangekommen. Blast wollte einfach nicht, dass irgendjemand sonst sein rechtmäßiges Erbe bekommt. Ein glasklares Motiv. Und dann gibt es da noch diese Großwild-Connection, das Elfenbein und der Pelzschmuggel. Blast hat Kontakte in Afrika, kann doch sein, dass er die genutzt hat, um den Mord zu arrangieren.«
Die Fahrstuhltüren öffneten sich; sie gingen durch die Eingangshalle und traten in die nach Meer riechende Abendluft. Die Wellen schwappten leise an den Strand, aus Tausenden Fenstern schien Licht, das den dunklen Sand in die Farbe widergespiegelter Flammen tauchte. Aus einem Restaurant in der Nähe drang leise Musik.
»Wie haben Sie das erkannt?« fragte D’Agosta, während sie zur Straße gingen.
Pendergast war tief in Gedanken versunken. »Wie bitte?«
»Das mit den Mänteln im Wandschrank? Den Pelzen?«
»Am Geruch.«
»Am
Geruch?
«
»Wie Ihnen jeder,
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