Pendergast 11 - Revenge - Eiskalte Täuschung
Arbeiter in Schutzkleidung, die Sichtschirme um eines der Gräber aufstellten. Es war ein selbst für Anfang November ungewöhnlich kühler Tag, wofür Beaufort zutiefst dankbar war. Exhumierungen an heißen Tagen waren immer unerfreulich.
Wenn man bedachte, wie reich die Familie Pendergast war und auf welch lange Geschichte sie zurückblicken konnte, handelte es sich um verhältnismäßig wenige Gräber. Beaufort, der die Pendergasts seit Jahrzehnten kannte, wusste sehr gut, dass die meisten Angehörigen der Familie es vorgezogen hatten, sich im Familiengrab auf der Penumbra-Plantage beisetzen zu lassen. Doch einige hegten eine eigentümliche Aversion gegen diese neblige, überwucherte Begräbnisstätte – oder die Gewölbe darunter – und zogen eine traditionellere Beisetzung vor.
Er trat um die Sichtschirme herum und stieg über den niedrigen schmiedeeisernen Zaun, der die Grabstätte umgab. Neben den Technikern entdeckte er die Totengräber, Saint-Savins Bestatter, den Friedhofsleiter und einen korpulenten, nervös wirkenden Mann, bei dem es sich vermutlich um Jennings handelte, den Vertreter des Gesundheitsamtes. Am anderen Ende stand Aloysius Pendergast selbst, reglos und stumm wie ein Gespenst. Beaufort musterte ihn neugierig. Als er Pendergast zuletzt gesehen hatte, war er noch ein junger Mann gewesen. Sein Gesicht hatte sich kaum verändert, aber er war hagerer als damals. Über dem schwarzen Anzug trug er einen langen, cremefarbenen Mantel, der nach Kamelhaar aussah, aber vermutlich, nach dem seidigen Glanz zu urteilen, eher aus Vicuña war.
Beaufort hatte die Bekanntschaft der Familie Pendergast als junger Pathologe der Gemeinde St. Charles gemacht. Nach etlichen Vergiftungen, für die eine verrückte alte Tante verantwortlich war, war er zur Penumbra-Plantage gerufen worden. Wie hieß die Tante noch mal – Cordelia? Nein, Cornelia. Er erschauderte bei der Erinnerung. Aloysius war damals noch ein Junge gewesen und hatte den Sommer auf Penumbra verbracht. Trotz der furchtbaren Umstände des Besuchs hatte der junge Aloysius sich an ihn gehängt wie eine Klette und war ihm überallhin gefolgt, fasziniert von forensischer Pathologie. Die folgenden Sommer hatte er Beauforts Labor im Keller des Krankenhauses heimgesucht. Der Junge lernte außerordentlich schnell und besaß eine selten anzutreffende, ausgeprägte Neugier. Zu ausgeprägt und beunruhigend morbid. Natürlich verblasste seine morbide Neugierde im Vergleich zu der seines Bruders … Aber der Gedanke war zu peinigend, und Beaufort schob ihn beiseite.
Wie aufs Stichwort blickte Pendergast auf und erhaschte seinen Blick. Er kam herbei und ergriff Beauforts Hand. »Mein lieber Beaufort«, sagte er. »Vielen Dank, dass Sie gekommen sind.« Pendergast hatte schon immer – selbst als Junge – die Angewohnheit besessen, ihn nur mit dem Nachnamen anzureden.
»Es ist mir ein Vergnügen, Aloysius. Wie schön, Sie nach all den Jahren einmal wiederzusehen. Es tut mir nur leid, dass es unter diesen besonderen Umständen geschieht.«
»Aber ohne den Tod hätten wir uns nie kennengelernt, nicht wahr?«
Pendergast fixierte ihn mit seinen durchdringenden, silbrigen Augen, und als Beaufort über den Satz nachdachte, lief ihm ein Schauder den Rücken hinunter. Er hatte Aloysius Pendergast noch nie nervös oder aufgeregt erlebt. Und doch schien er, trotz aller äußeren Ruhe, heute beides zu sein.
Die Sichtschirme um das Grab herum waren aufgestellt, und Beaufort wandte seine Aufmerksamkeit den dortigen Vorgängen zu. Jennings hatte ständig auf die Uhr geschaut und nervös an seinem Kragen gezupft. »Fangen wir an«, sagte er mit hoher, nervöser Stimme. »Darf ich bitte die Exhumierungslizenz sehen?«
Pendergast zog sie aus der Manteltasche und reichte sie ihm. Der Vertreter des Gesundheitsamtes warf einen Blick darauf, nickte und gab sie zurück. »Vergessen Sie nicht, unsere Verantwortung gilt vor allem dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Wahrung der Würde der Verstorbenen.«
Er blickte auf den Grabstein mit der schlichten Inschrift:
HELEN ESTERHAZY PENDERGAST
»Stimmen wir alle überein, dass es sich hier um das richtige Grab handelt?«
Allgemeines Kopfnicken.
Jennings trat einen Schritt zurück. »Nun gut. Die Exhumierung kann beginnen.«
Zwei Totengräber, die zusätzlich zu ihrer Schutzkleidung Handschuhe und Gesichtsmasken trugen, begannen, ein Rechteck aus dem dichten grünen Rasen auszustechen und die Grassoden
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