Pendergast 12 - Fear - Grab des Schreckens
vorhergehenden bildet. Die nächste Ziffer in der Folge war einundzwanzig. Ich habe herausgefunden, dass es in Manhattan nur ein Hotel mit einer Einundzwanziger-Adresse gibt – das Murray Hill, in der Park Avenue einundzwanzig.«
Mit gesenktem Kopf, verschränkten Armen und nach wie vor gerunzelter Stirn hörte Gibbs zu.
»Die Zeiten der Morde folgen einer simplen Sequenz, sie wechseln zwischen halb acht morgens und neun Uhr abends. Das ist ein Zeichen von Überheblichkeit, ebenso wie das Gesicht in die Überwachungskameras zu halten – als wären wir nicht die Verachtung wert, und er müsste sich nicht einmal bemühen, seine Aktivitäten zu verbergen.«
Als Pendergast zu Ende gesprochen hatte, verdrehte Gibbs die Augen. »Was den Zeitpunkt der Morde angeht, das kann ich nicht bestreiten. Aber das über diesen Fib… diesen Fib… das muss eine der am weitesten hergeholten Ideen sein, die ich je gehört habe.«
»Ja, stimmt schon«, sagte D’Agosta, »aber sie scheint funktioniert zu haben.«
Gibbs zog sein Notizbuch hervor. »Also, Agent Pendergast, als Sie hier angekommen sind, was ist da passiert? Der Lieutenant sagte mir, Sie seien einfach verschwunden.«
»Wie ich Lieutenant D’Agosta bereits gesagt habe, bin ich auf direktem Weg aufs Zimmer gegangen, dort habe ich das Badezimmerfenster weit offen vorgefunden. Ich habe die Verfolgung aufgenommen und dem Täter bis zum Fluss nachgesetzt, wo ich ihn im Bereich der alten Piers aus den Augen verloren habe.«
Gibbs machte sich ein paar Notizen. »Haben Sie ihn gut sehen können?«
»Nicht besser als die Überwachungskameras.«
»Sonst können Sie mir nichts sagen?«
»Ich fürchte, nein. Außer, dass er sehr schnell laufen kann.«
D’Agosta konnte es kaum fassen: Pendergast hielt tatsächlich Beweise zurück. Es war eines, davon zu reden, dass man es vorhabe, etwas ganz anderes, es aktiv zu tun. Und nicht nur das: Pendergast tat das im Rahmen einer Ermittlung, die er, D’Agosta, leitete. Er fand es zunehmend schwierig, Pendergasts respektlose Einstellung gegenüber rechtsstaatlichen Verfahren nicht persönlich zu nehmen.
Gibbs klappte sein Notizbuch zu. »Interessant, dass sich der Mörder einen Schuppen wie den hier ausgesucht hat. Es zeigt, dass sein Modus Operandi sich weiterentwickelt hat. Das ist ein gemeinsames Merkmal bei diesem Typ von Serienmörder: Erst tötet er in Umgebungen, in denen er sich sicher fühlt, dann erweitert er das Gebiet, wird wagemutiger. Geht bis an die Grenze.«
»Was Sie nicht sagen«, meinte Pendergast.
»Ja, ich sage es tatsächlich. Mehr noch: Ich halte es für bedeutsam. Zuerst hat er im Marlborough Grand gemordet, dann im Vanderbilt und anschließend im Royal Cheshire. Alles Fünf-Sterne-Hotels. Mir sagt das, dass der Täter aus einer wohlhabenden, privilegierten Familie stammt. Er beginnt dort, wo er sich wohl fühlt, dann, während sein Selbstvertrauen steigt, wird er wagemutiger und mischt sich unter das gemeine Volk, sozusagen.«
»Er hat dieses Hotel«, sagte Pendergast milde, »aus nur einem Grund ausgewählt: weil es das einzige in Manhattan mit einer Einundzwanzig in der Adresse ist. Es hat nichts mit seiner familiären Herkunft oder seiner Gewohnheit zu tun, sich unters Volk zu mischen.«
Gibbs seufzte. »Special Agent Pendergast, wie wär’s, wenn Sie auf dem Gebiet Ihrer Expertise blieben und das Profiling den Experten überlassen würden?«
»Und welche Experten sollen das sein?«
Gibbs starrte ihn an.
Pendergast blickte zur Tür des Zimmers 516 und betrachtete die Schatten der dort drinnen Arbeitenden. Die grellen Tatort-Lampen warfen ihre Silhouetten auf die gegenüberliegende Wand des Flurs. »Kennen Sie Platos Höhlengleichnis?«, fragte er.
»Nein.«
»Möglicherweise finden Sie es erhellend in der gegenwärtigen Situation. Agent Gibbs, ich habe Ihr forensisches Profil des sogenannten Hotel-Mörders gründlich gelesen. Wie Sie sagen, basiert es auf Wahrscheinlichkeiten und Aggregaten – der Annahme, dass der Mörder anderen seines Schlags ähnelt. Tatsächlich aber befindet sich dieser Mörder völlig außerhalb Ihrer Bellkurve. Er passt zu keiner Ihrer Annahmen und entspricht auch keiner Ihrer kostbaren Daten. Was Sie tun, ist nicht nur eine kolossale Zeitverschwendung, sondern eine tatsächliche Behinderung der Ermittlungen. Ihre pubertäre Analyse führt diese auf einen völlig falschen Weg – was durchaus die Absicht des Mörders sein könnte.«
D’Agosta zuckte zusammen.
Gibbs
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