Pendergast 12 - Fear - Grab des Schreckens
es nicht, denn er hatte einen langen Weg vor sich. Er aß etwas Trockenfleisch und trank einen Schluck Wasser.
Wenn er sich neben dem landwirtschaftlichen Weg, abseits vom Fluss hielt, dann könnte er, so seine Hoffnung, den diversen elektronischen Fallen und Sensoren entgehen. Das riesige angeleinte Luftschiff, das unsichtbar im Nachthimmel schwebte, hatte seine Anwesenheit möglicherweise bemerkt, doch weil er Richtung Süden ging, hoffte er, dass kein Alarm ausgelöst werden würde – zumindest noch nicht.
Die Nachtluft war kühl, auch wenn es Sommer war. Die Kojoten hatten aufgehört zu heulen; alles war still. Pendergast marschierte weiter.
Die Straße machte eine 90-Grad-Biegung und führte parallel an einem Stacheldrahtzaun weiter – die eigentliche Grenze. Pendergast überquerte die Straße, überzeugt, dass er inzwischen verschiedene Sensoren ausgelöst hatte, und gelangte zur Grenze. Binnen Sekunden hatte er die Zäune durchtrennt und sich auf die mexikanische Seite hinübergezwängt. Er humpelte in die Dunkelheit davon und überquerte dabei eine leere Fläche kieseliger Wüste, auf der Akazien wuchsen.
Es war nicht viel Zeit vergangen, als er auf der amerikanischen Seite Suchscheinwerfer sah. Er ging weiter und näherte sich schräg den Pappeln am Fluss, wobei er sich möglichst schnell bewegte. Mehrere Suchscheinwerfer gingen an, und die Lichtkegel stachen durch die Wüstennacht und suchten die Landschaft ab, bis sie auf ihm ruhten und ihn in gleißendes Weiß tauchten.
Er ging weiter. Eine Megafonstimme hallte über das Feld, sie sprach erst Englisch und dann Spanisch, befahl ihm, stehen zu bleiben, sich umzudrehen, die Hände zu heben und sich zu erkennen zu geben.
Pendergast ignorierte sie und marschierte weiter. Die Grenzer konnten nichts machen. Sie konnten ihn nicht verfolgen, und es wäre sinnlos, ihre Pendants auf der mexikanischen Seite zu Hilfe zu rufen. Niemand interessierte sich für den illegalen Grenzverkehr in Richtung Süden.
Er hielt schräg auf die Reihe Pappeln am Fluss zu. Eine Zeitlang folgten ihm die Suchscheinwerfer, hinzu kamen weitere vereinzelte Befehle aus Megafonen, bis er schließlich den Wald betrat. An diesem Punkt gaben sie auf.
Versteckt unter dem schützenden Blätterdach, setzte er sich an das Ufer des flachen Flussbetts des San Pedro. Er versuchte zu essen, aber die Speisen schmeckten wie Pappe; er zwang sich, zu kauen und zu schlucken. Er trank noch etwas mehr Wasser und widerstand dem Impuls, seinen erneut blutdurchtränkten Verband abzunehmen.
Er nahm an, dass Helen und ihre Entführer die Grenze ungefähr zur selben Zeit oder kurz vor ihm überschreiten würden. Es war eine abgelegene, öde Wüstenlandschaft, bedeckt mit Sarcobatus- und Mesquitesträuchern, durchzogen von nicht gekennzeichneten Sandpisten, die von illegalen Immigranten und Waffen- oder Drogenschmugglern genutzt wurden. Mit Sicherheit hatte der Bund für Beförderungsmittel auf der mexikanischen Seite gesorgt, auf einer dieser unbefestigten Straßen, die nach Cananea führten, fünfzig Kilometer südlich der Grenze. Sie würden auf diesem Netz improvisierter Straßen fahren, und er müsste sie abfangen, bevor sie die Stadt erreichten – und damit die asphaltierten Straßen, die von ihr wegführten. Sollte ihm das nicht gelingen, dann würden die Chancen, Helen jemals zu finden, gegen null gehen.
Nachdem er aufgestanden war, humpelte er im überwiegend trockenen Flussbett weiter, wobei er hin und wieder durch stehende Tümpel aus zentimetertiefem Wasser patschte. Vielleicht kam er schon jetzt zu spät.
Rund achthundert Meter weiter südlich erblickte er durch den dünnen Schutzschirm aus Bäumen ferne Lichter. Nachdem er zur Uferböschung gegangen war, spähte er geradeaus und sah etwas, das eine einsame Ranch zu sein schien, die abgeschieden in der riesigen Wüstenebene lag. Sie war bewohnt.
Die mondlose Nacht bot ihm Deckung für sein Vorhaben. Weiches gelbes Licht fiel aus den Fenstern des Hauptgebäudes aus Adobeziegeln, ein altes, weißgetünchtes Haus, das von defekten Viehpferchen und Zäunen und zerstörten Nebengebäuden umgeben war. Allerdings deuteten die funkelnden, neuen Geländewagen, die davor parkten, darauf hin, dass die Ranch derzeit für etwas ganz anderes als Viehzucht genutzt wurde.
In einer leichten Hocke näherte sich Pendergast dem Bereich. Er sah den Schein einer Zigarette und bemerkte einen Mann an der Eingangstür des Hauses, der die Fahrzeuge und die
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