Pendergast 12 - Fear - Grab des Schreckens
Mit hungrigem Blick erfassten seine blassen Augen die weiten, polierten Flächen roten italienischen Marmors, die diskrete Beleuchtung, den Wasserfall, der in Kaskaden in einen Teich voll blühender Lotusblumen plätscherte, den riesigen Raum voller Menschen, die sich leise unterhielten.
In der Mitte der Lobby blieb er stehen, voll Schwung und Energie wegen des frühmorgendlichen Treibens rings um ihn herum. Er konzentrierte sich auf willkürlich ausgewählte Personen und beobachtete, wie sie durch die Eingangshalle, in sie hinein- und aus ihr herausgingen. Viele reihten sich in die Schlange vor dem Starbucks-Kiosk ein, aus dem der köstliche Duft frisch gemahlenen Kaffees drang.
New York City …
Mit seiner weichen Hand strich er über das Revers seines Nadelstreifenanzugs, wobei die schlanken, aber kräftigen Finger Gefallen fanden an der Beschaffenheit des teuren Wollstoffs. Noch nie hatte er so einen Anzug getragen. Die Schuhe waren ebenfalls von der besten Qualität, und er hatte sich sorgfältig zurechtgemacht, um gut auszusehen, so als hätte er gleich das wichtigste Vorstellungsgespräch seines Lebens. Und es war ja wirklich eine Art Vorstellung: Heute war ein wichtiger Tag, eine Art Feiertag – natürlich ziemlich hastig geplant und organisiert, aber dennoch entscheidend. Er atmete tief durch. Wie herrlich es war, welch schönes Gefühl der Sicherheit es einem gab, gut gekleidet und mit Geld in der Tasche in einer Hotellobby in der tollsten Stadt der Welt zu stehen. Beeinträchtigt wurde seine äußere Erscheinung lediglich durch den kleinen weißen Verband über dem linken Ohrläppchen, aber dagegen war natürlich nichts zu machen.
Kaffee? Später vielleicht.
Ein letztes Mal strich Alban sich über den Anzug, dann ging er mit langen Schritten über den Marmorboden zu den Fahrstühlen, betrat eine der Kabinen und drückte den Knopf zum vierzehnten Stock. Er blickte auf seine nagelneue Breitling-Armbanduhr, die ihm geschenkt worden war und die ihm so gut gefiel: 7 Uhr 31.
Mehrere Personen standen im Fahrstuhl, die meisten hielten einen großen Becher Kaffee in der Hand. Alban wunderte sich über die Größe der Becher. Die Menschen in New York schienen eine Unmenge Kaffee zu trinken. Er selbst trank Kaffee lieber auf die – wie seine Leute es nannten – italienische Art: stark, in kleinen Portionen und schwarz. Auch war er überrascht und sogar ein wenig schockiert, dass sehr viele Touristen in New York nicht angemessen gekleidet waren. Selbst hier, in diesem wunderschönen und teuren Hotel in einer Seitenstraße der Fifth Avenue, waren sie angezogen, als wollten sie ihre Kinder vom Spielplatz abholen oder joggen, trugen Fitnessanzüge, Laufschuhe, Sweatshirts oder Jeans. Aber wenn man ihre körperliche Verfassung betrachtete, dann hatten wohl nur wenige vor zu laufen, viele der Männer hatten einen Hängebauch, und die Frauen waren unförmig und stark geschminkt. Noch nie hatte er so viele Menschen in so schlechter körperlicher Verfassung gesehen. Aber andererseits durfte er auch nicht vergessen: Das hier war das gemeine Volk.
Im vierzehnten Stock stieg er aus, bog nach links und ging rasch über den Flur, wobei er jede Biegung mit lockerem Schritt nahm, bis er am hinteren Ende des Korridors ankam, wo ein Notausgang zu einer Treppe führte. Er wandte sich um und warf einen Blick zurück in den Flur. Acht Zimmer rechts, acht links. Vor der Hälfte von ihnen lag eine gefaltete Morgenzeitung. Einige Gäste hatten die New York Times bestellt, andere das Wall Street Journal, einige wenige USA Today.
Er wartete, die Hände vor dem Bauch verschränkt, alle Sinne jetzt hellwach. Er rührte sich nicht vom Fleck. Vom Zeitpunkt, da er das Hotel betreten hatte, bis jetzt hatten versteckte Überwachungskameras ihn aufgenommen. Gar kein unangenehmer Gedanke. Später, wenn sich die Leute die Aufnahmen ansehen würden, würden sie Sätze sagen wie: Welch außergewöhnlicher Mann! Und: Wie geschmackvoll er sich kleidet! Sie alle würden sehr, sehr interessiert an ihm sein. Vielleicht würde sein Bild sogar in die Zeitungen kommen.
Jetzt aber, an dieser besonderen Stelle, befand sich die Kamera, die diesen Abschnitt des Flurs überwachte, direkt über ihm, und er stand im toten Winkel.
Er wartete weiterhin. Und dann, im genau richtigen Augenblick, ging er den Flur mit zielstrebigen Schritten wieder zurück. Im selben Moment, als er zur Tür des Zimmers 1422 kam, ging sie auf, und eine Frau im Bademantel beugte
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