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Pendergast 12 - Fear - Grab des Schreckens

Pendergast 12 - Fear - Grab des Schreckens

Titel: Pendergast 12 - Fear - Grab des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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Anstrengung keuchend, hob er die Schaufel. Durch den Schwung verlor er das Gleichgewicht, taumelte rückwärts und hatte Mühe, nicht zu stürzen. Seine Knie knickten ein, und bevor er noch einmal schwankte, schlug er mit der ganzen Kraft, die er aufbringen konnte, mit dem Schaufelblatt auf das Markierungsschild.

    … London, Frühherbst. Die Blätter an den schattenspendenden Bäumen, die die Devonshire Street säumten, waren schon ein wenig gelb. Sie gingen in Richtung Regent’s Park, nachdem sie kurz zuvor Christie’s verlassen hatten. Um sich Helens Risikofreude gewachsen zu zeigen, hatte er soeben auf einer Auktion zwei Kunstwerke ersteigert, die er auf den ersten Blick geliebt hatte: eine Meerlandschaft von John Marin und ein Gemälde, darstellend die Abtei von Whitby, das in Christie’s Katalog zwar als Werk »eines unbedeutenden romantischen Malers« aufgeführt war, seiner Meinung nach jedoch ein früher Constable sein konnte. Helen hatte einen Silberflakon Cognac in die Auktion geschmuggelt, und jetzt – während sie die Park Crescent kreuzten und auf den eigentlichen Park zusteuerten – begann sie mit voller Stimme, das Gedicht »Der Strand von Dover« zu zitieren, so dass alle es hören konnten: »Die See ist still heut Nacht. Die Flut ist voll, der Mond fällt schön …«

    Er hatte, ohne es zu bemerken, die Schaufel fallen gelassen. Sie lag schräg auf seinen Schuhen, die Spitze in der losen Erde. Er kniete sich hin, um sie aufzuheben, dann sank er ganz plötzlich auf die Knie. Er streckte eine Hand aus, um nicht zu fallen, aber die Schaufel rutschte ihm aus der Hand, und er sank zu Boden und fiel seitlich mit dem Gesicht in den Sand.
    Es wäre leicht, bemerkenswert leicht, so liegen zu bleiben, hier über Helens Leichnam. Aber er hörte das langsame Tropf, Tropf, Tropf seines Bluts auf den Sand und erkannte, dass er erst loslassen konnte, wenn die Arbeit getan war. Er hievte sich in eine sitzende Stellung. Nach einigen Minuten fühlte er sich gerade kräftig genug, aufrecht stehen zu können. Mit äußerster Anstrengung, indem er die Schaufel als Krücke einsetzte, stand er auf und hob erst das linke, dann das rechte Bein. Der Schmerz in der verletzten Wade war verschwunden; er fühlte überhaupt nichts mehr. Trotz der intensiven Sonneneinstrahlung schränkte die Dunkelheit sein Gesichtsfeld immer mehr ein: Ihm blieb nur noch eine Chance, das Markierungsschild dauerhaft in den Boden zu rammen, bevor er das Bewusstsein verlor. Er holte tief Luft, packte den Griff der Schaufel, so fest er konnte, hob das Werkzeug mit zitternden Händen und hieb mit seinem letzten Funken Kraft auf den Pfosten.

    … Eine warme Sommernacht, das Zirpen von Grillen. Er und Helen saßen, hohe Gläser in den Händen, auf der Hinterveranda der Penumbra-Plantage und sahen zu, wie der Abendnebel vom im Mondlicht schimmernden Bayou herüberkroch. Die Nebelschwaden wälzten sich erst über den marschigen Rand des Grundstücks, dann den klassizistischen Garten, dann den Rasenteppich, der zum großen Haus hinaufführte; sie schwebten über den Rasen, rankten sich an den Stufen hoch wie eine Zeitlupenflut, gespenstisch weiß leuchtend von der Kugel des Mondes.
    Auf einem Serviertisch auf Rollen in der Nähe standen ein halbvoller Krug geeister Limonade und die Reste einer Platte mit crevettes remoulde . Aus der Küche drang der Geruch von gegrilltem Fisch: Maurice bereitete Pompano Pontchartrain zum Abendessen.
    Helen sah zu ihm hin. »Kann es nicht ewig so bleiben, Aloysius?«, fragte sie.
    Er trank einen Schluck Limonade. »Warum denn nicht? Unser ganzes Leben liegt noch vor uns. Wir können damit machen, was uns gefällt.«
    Sie lächelte und schaute in den Himmel. »Damit machen, was uns gefällt … Ein Versprechen zum Mondaufgang?«
    Er blickte in gespielter Ernsthaftigkeit auf den bernsteinfarbenen Mond und legte sich spielerisch die Hand auf die Brust. »Mein Ehrenwort!«

    Er stand mitten in dieser weiten, leeren, unwirtlichen und fremden Wüste. Die Dunkelheit füllte sein Gesichtsfeld aus, so als schaute er hinab in einen dunklen Tunnel, dessen Ende sich immer weiter entfernte. Die Schaufel rutschte ihm aus den tauben Händen und fiel dumpf auf den sandigen Boden. Mit einem letzten, kaum hörbaren Seufzer sank er auf die Knie und stürzte dann – nach einem kurzen Innehalten – auf das Grab seiner toten Ehefrau.

TEIL ZWEI
    1
    A lban Lorimer betrat die Eingangshalle des Hotels Marlborough Grand in New York City.

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