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Pendergast 12 - Fear - Grab des Schreckens

Pendergast 12 - Fear - Grab des Schreckens

Titel: Pendergast 12 - Fear - Grab des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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Aber eigentlich wollte er Maler werden. Wie es scheint, war er fasziniert von der Unterschicht Manhattans.«
    Als sich der Staub gelegt hatte, erkannte Felder das Bild auf dem Papier. Es handelte sich um ein Gemälde, Öl, dem Aussehen nach zu urteilen, darstellend einen Knaben, der auf der Vordertreppe eines Brownstone-Gebäudes hockte. In der einen Hand hielt er einen Ball, einen Stock in der anderen und blickte dem Betrachter mit leicht trotziger Miene entgegen.
    »Ah ja«, murmelte Goodbody und warf einen Blick auf das Bild.
    Behutsam drehte Felder es um und legte es zur Seite. Darunter befand sich ein weiteres Gemälde, dieses stellte eine große Ladenfront dar, darüber die Inschrift R & N Mortenson Wooden & Willow Ware. Vier Kinder beugten sich aus der unteren Fensterreihe, auch sie mit recht mürrischer Miene.
    Felder betrachtete das nächste Bild. Ein Junge, der hinten auf etwas saß, das wie ein Brauereiwagen aussah. Die Straße darunter war ziemlich uneben, voller Bruchgestein und zerbrochener Tonwaren. Auf der Rückseite hatte jemand – wahrscheinlich Wintour – WORTH & BAXTER STREET, 1879 gekritzelt.
    Mehrere Gemälde folgten. Es handelte sich überwiegend um Studien junger Männer und Frauen, vor dem Hintergrund des Lebens der Unterschicht in Manhattan. Einige Bilder zeigten Männer bei der Arbeit oder Kinder beim Spielen. Bei anderen handelte es sich um eher klassische Porträts, entweder Brustbilder oder Ganzaufnahmen.
    »Wintour hat seine Werke nie verkaufen können«, sagte Goodbody. »Nach seinem Tod hat seine Familie – die verzweifelt bemüht war, die Arbeiten auf andere Weise loszuwerden – alles der Historischen Gesellschaft angeboten. Die Skizzen, Studien und Mappen konnten wir nicht erwerben – aus Platzgründen, Sie verstehen sicherlich –, haben aber die Gemälde genommen. Er war schließlich ein New Yorker Künstler, wenn auch ein unbedeutender.«
    Felder betrachtete gerade ein Gemälde mit Kindern, die vor einem Ladengeschäft Basketball spielten, dessen Werbung lautete: COOPER’S LEIM. PER FASS. GÜNSTIGE PREISE. Es wunderte ihn gar nicht, dass Wintour nicht mehr Erfolg gehabt hatte beim Verkauf seiner Werke: Im Großen und Ganzen waren sie ziemlich mittelmäßig. Das lag allerdings nicht an den Sujets, wie er fand, sondern an einer Art künstlerischer Gleichgültigkeit, einem Mangel an Lebendigkeit in den Gesichtern und Posen.
    Er betrachtete das nächste Bild – und war völlig verzaubert.
    Dort, ihn direkt anschauend, war Constance Greene. Besser gesagt: Constance Greene, wie sie im Alter von sechs Jahren ausgesehen hätte. Diesmal war Wintour seinem Sujet gerecht geworden. Das Bild ähnelte dem Kupferstich, den Felder in der Zeitung gesehen hatte, Straßenkinder beim Spielen, nur unendlich viel lebensechter. Der Schwung der Augenbraue, der leichte Schmollmund, die Art, wie die Haare fielen, das war unverkennbar. Nur die Augen waren anders. Diese Augen waren durch und durch kindlich, unschuldig, ein wenig verängstigt vielleicht. Überhaupt nicht wie die Augen, die ihn am Morgen im Leseraum des Mount Mercy angeblickt hatten.
    »Also, das hier ist ganz hübsch«, sagte Goodbody. »Wirklich sehr schön. Ein Kandidat für eine Ausstellung vielleicht?«
    Hastig, als erwachte er aus einer Art Trance, drehte Felder das Blatt um. Goodbody sollte nicht mitbekommen, wie stark das Porträt ihn berührt hatte. Und aus irgendeinem unklaren Grund missfiel ihm auch die Vorstellung, dass es in der Öffentlichkeit gezeigt wurde.
    Den Rest sah er ziemlich schnell durch, aber es gab keine weiteren Bilder von Constance, und er fand auch keine Haarlocke.
    »Wissen Sie, wo ich noch mehr von diesem Werk finden kann, Mr. Goodbody?«, fragte er. »Mich interessieren vor allem die Mappen und Skizzen, die Sie erwähnten.«
    »Ich fürchte, ich habe keine Ahnung. Unsere Unterlagen deuten darauf hin, dass seine Familie in Southport, Connecticut, gelebt hat. Vielleicht können Sie es ja dort einmal versuchen.«
    »Das werde ich tun.« Felder stand auf, wankte leicht und fand sein Gleichgewicht wieder, als er sich an einer Regalstütze festhielt. Das Porträt hatte ihn zutiefst aufgewühlt. »Haben Sie herzlichen Dank für Ihre Zeit und Ihre Bemühungen.«
    Goodbody strahlte. »Unsere Historische Gesellschaft ist stets bemüht, Kunsthistoriker bei ihren Recherchen zu unterstützen. Ah, es ist kurz vor neun. Kommen Sie – ich begleite Sie zurück nach oben.«

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    I n der Bibliothek der Villa am Riverside

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