Pendergast 12 - Fear - Grab des Schreckens
Drive war es kalt und dunkel, im erloschenen Kaminfeuer stapelte sich ungeöffnete Post. Ein langer Tisch, der normalerweise in einer Ecke stand, war in die Mitte des Zimmers gezogen worden; er war übersät mit Ausdrucken und Fotografien, von denen manche auf den Boden gefallen und zertrampelt waren. Am einen Ende der Bibliothek stand ein Eichenpaneel offen, weshalb ein Flachbildschirm zu sehen war, auf dem immer und immer wieder eine Endlosschleife lief, einen Mann darstellend, der in einer Hotellobby stand.
Rastlos ging Pendergast im Zimmer auf und ab wie ein Tier im Käfig. Gelegentlich blieb er stehen, um auf den Bildschirm zu schauen, dann wieder, um sich über die ungeordneten Papiere auf dem Tisch zu beugen und sie hin und her zu schieben, das eine oder andere zu betrachten und dann mit ungeduldiger Geste zurück auf den Stapel zu werfen. Es war eine seltsame Zusammenstellung von Dokumenten, hauptsächlich fluoreszierende Fotografien von Gel-Elektrophorese-Platten, bedeckt mit schattenhaften Linien und wabernden Schnörkeln von DNA-Molekülen, wie unscharfe Fotografien der Geister von Toten. Er nahm ein Foto zur Hand, dann ein anderes, hielt sie mit zitternden Händen nebeneinander und ließ dann beide wieder zurück auf den Stapel fallen.
Er richtete sich auf und ging mitten durch die Bibliothek zu einer kleinen mobilen Anrichte, auf der mehrere Flaschen standen, schenkte sich ein Glas Amontillado ein, trank es in einem Schluck aus, füllte es erneut, wobei der Sherry über den Rand schwappte, und kippte auch das hinunter.
Wieder begann er auf und ab zu gehen. Er trug kein Jackett – achtlos hingeworfen lag es auf einem Stuhl. Er hatte den Knoten seiner Krawatte geöffnet, das Hemd war zerknittert. Das hellblonde Haar war feucht, das Gesicht von einer ungesund glänzenden Schweißschicht überzogen.
Die Uhr auf dem Kaminsims schlug Mitternacht.
Nach einem weiteren Rundgang im Zimmer stand er abermals vor der Flasche Amontillado. Er schenkte das Glas voll, hob es an, um daraus zu trinken, stellte es dann aber nach kurzem Zögern wieder ab, und zwar mit solcher Wucht, dass der Stiel zerbrach und der bernsteingelbe Sherry verschüttet wurde.
Das ignorierte er und begann erneut auf und ab zu gehen. Kurz blieb er vor dem Kamin stehen und stocherte mit einem Schüreisen in der erloschenen Glut, wodurch er die Briefe, die er kurz zuvor hineingeworfen hatte, mit der Asche vermengte.
Als Nächstes blieb er vor dem Bildschirm stehen und versuchte, eine Weile zuzuschauen. Er griff nach der Fernbedienung und tippte immer wieder mit seinen spinnendünnen Fingern darauf herum. Bild für Bild ging er die Videoaufnahme durch und spähte konzentriert auf den Mann im dunklen Anzug, der das Hotel betrat, kurz stehen blieb und das Foyer verließ. Er trat näher an den Bildschirm, wobei sein Blick vor allem auf dem Gesicht des Mannes ruhte, seiner Körperhaltung, der Art und Weise, wie er ging, und Größe und Gewicht abschätzte. Wieder ein ungeduldiger Tastendruck, und erneut erschien ein Video mit demselben Mann – oder doch nicht? –, der selbstbewusst ein anderes Hotelfoyer durchquerte. Immer wieder betrachtete Pendergast die beiden Videoaufnahmen mit langsamer, schneller und mit Einzelbildgeschwindigkeit, er zoomte heran, zoomte heraus, in einer Endlosschleife von Foyer–Flur–Foyer–Flur, bis er die Fernbedienung schließlich auf einen Stuhl warf und zurück zur Anrichte ging.
Er nahm ein weiteres der zerbrechlichen Gläser zur Hand und verschüttete den Sherry, als er ihn hineingoss. Auch dieses Glas trank er aus, um den einsetzenden Schmerz durch die Einwirkung des Alkohols zu dämpfen, auch wenn er wusste, dass er ihn dadurch nur verlängerte.
Noch ein Rundgang durchs Zimmer, dann blieb er stehen. Im Türrahmen stand eine massige, muskulöse Gestalt mit einem Silbertablett in der Hand. Das Gesicht, das im Schatten lag, war nicht zu entziffern.
»Was ist, Proctor?«, fragte Pendergast schroff.
»Wenn es nichts anderes mehr gibt, Sir, gehe ich zu Bett.«
Proctor wartete auf Anweisungen, aber als Pendergast nichts sagte, verschwand er ein wenig gekränkt im Dunkel. Sobald er gegangen war, nahm Pendergast seinen Marsch, sein zwanghaftes Betrachten der Videos, sein wiederholtes Überprüfen der Dokumente auf dem Tisch wieder auf.
Mitten im Schritt blieb er abrupt stehen und drehte sich um. »Proctor«, sagte er mit nicht sehr lauter Stimme.
Noch einmal erschien die Gestalt im Türrahmen. »Ja?«
»Wenn
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