Pendragon - Der Anfang
für mich eine Überwindung gewesen. Vielleicht hatte ich
damit sogar Loor beeindruckt. Doch obwohl ich stolz auf mich war, reagierte ich so, wie es alle wahren Helden in solchen Augenblicken tun.
»Das war nichts Besonderes«, erklärte ich mit so viel Bescheidenheit wie möglich. »Du hättest das Gleiche für mich getan.«
Ich blickte nach oben und sah Alder, der es fast geschafft hatte. Ich nutzte die wenigen Sekunden, die mir blieben, ehe ich an der Reihe war, und stellte die Frage, die mich schon geraume Zeit quälte.
»Du warst nicht überrascht, mich zu sehen«, sagte ich zu Onkel Press. »Wie kommt das?«
»Ich kenne dich, Bobby«, lautete die Antwort. »Vielleicht besser, als du dich selbst kennst. Ich wusste, dass du mir helfen würdest. Und da du die Pfeife hattest, war mir klar, du würdest sie benutzen.«
Ich glaube, Onkel Press wusste gar nicht, wie dicht ich davorgestanden hatte zu kneifen. Ich dachte an die Zeit kurz nach meiner Ankunft in Denduron und erinnerte mich voller Scham daran, wie weit unten die Rettung meines Onkels auf meiner Liste stand. Doch zum Glück habe ich irgendwann die richtige Entscheidung getroffen. Wahrscheinlich ist es okay, manchmal wie ein Weichei zu denken, solange man nicht so handelt. In diesem Satz steckt wahrhaft tiefgründige Philosophie, aber ich überlasse es euch, darüber nachzudenken.
»Du hattest recht«, meinte ich. »Bis auf eine Sache.«
»Und welche?«, fragte Onkel Press.
»Das ist nicht die Pfeife, die du mir gegeben hast. Die habe ich verloren, als wir mit dem Schlitten umkippten.«
Er sah mich fragend an. Zum ersten Mal seit Beginn dieses Abenteuers schien er an mir zu zweifeln.
»Das verstehe ich nicht«, sagte er. »Hast du eine neue geschnitzt?«
Ich hielt ihm die silberne Pfeife entgegen und antwortete: »Nein, die ist von daheim.«
Sofort ließ er die Leiter los und riss sie mir aus der Hand.
»Woher hast du sie? Hattest du sie bei dir?«, wollte er wissen.
Aha. Mein Instinkt sagte mir, dass ich etwas falsch gemacht hatte.
»N…nein«, stotterte ich nervös. »Ich schrieb meinen Freunden, dass ich eine Pfeife brauche. Dann kehrte ich mit dem Flume in den U-Bahnhof zurück und …«
Onkel Press tat etwas Erstaunliches! Er drehte sich um, holte aus und schleuderte die Pfeife durch das Loch in der Decke!
»Wirf sie ins Meer!«, rief er Loor zu. »Sofort!«
Loor gehorchte augenblicklich. Sie hob die Pfeife auf und schleuderte sie weg. Dann wandte sich Onkel Press wieder mir zu und starrte mich so durchdringend an, dass ich weiche Knie bekam.
»Ich habe es dir doch gesagt!«, knurrte er. »Wir dürfen nur das benutzen, was uns das Territorium bietet. Deshalb habe ich die Pistole nicht mitgenommen!«
Meine Gedanken überstürzten sich. Richtig, er hatte mich gewarnt, aber ich hatte es vollkommen vergessen.
»Hast du sonst noch etwas von zu Hause geholt?«, fragte er.
O nein! Ich hatte mir nicht nur allerhand besorgen lassen, sondern es auch überall im Bedoowan-Palast verteilt. Ich hatte keinen Schimmer, warum das so schlimm war, aber Onkel Press’ Miene verriet mir, dass die Sache ernst war. Noch ehe ich ein Geständnis ablegen konnte, hörten wir etwas. Das Geräusch drang aus der Tiefe eines Tunnels, der hinter uns lag. Wir drehten uns um und lauschten angestrengt. Nach wenigen Sekunden hörten wir es wieder. Klar, ein Knurren. Dahinten in den Stallungen lauerten offensichtlich doch mehr als zwei Quigs, und es hörte sich so an, als wären ein paar neue Gegner aufgewacht.
»Nach oben!«, kommandierte Onkel Press.
Er musste es nicht zweimal sagen. Ich ergriff die Strickleiter und stieg hinauf. Natürlich versuchte ich so schnell wie möglich zu klettern, aber es war gar nicht so einfach. Eine normale Leiter ist fest. Eine Strickleiter ist weich und schwingt hin und her. Sobald man den Fuß auf eine Sprosse setzt, biegt sie sich unter dem Gewicht durch. Balanciert man nicht genau in der Mitte, dreht sie sich um die eigene Achse. Und wenn man nicht richtig aufpasst, wohin man den Fuß setzt, rutscht man ab, und das kann tödlich enden. Ich gab mir Mühe, schnell zu klettern, aber je schneller ich wurde, umso schwieriger war es.
Von oben rief Alder: »Beeilung, Pendragon!«
Super, danke für die Unterstützung! Fast wäre ich abgeglitten und klammerte mich mit aller Kraft an die Leiter. Leider hielt Onkel Press das Ende nicht fest, was es mir noch schwieriger machte. Ich schaute nach unten und sah, dass er in die Tiefe der
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