Pendragon - Der Anfang
Ahnung.
Jenseits der Wände erblickte ich Sterne. Milliarden Sterne. Ich reiste mitten durchs Universum, durch Zeit und Raum. So hatte man es mir jedenfalls erklärt. Ich fragte mich, ob Flu mes wirklich stabil waren. Wäre es möglich, ein Flume zu beschädigen? Könnte ein Satellit aus dem Orbit vielleicht zufällig hineinkrachen? Was war mit ei nem Meteor? Oder ei nem Asteroiden? Doch dann überlegte ich, dass ich schon genug Sorgen hatte, ohne mir noch mehr mögliche Katastrophen auszumalen, und ich versuchte an etwas anderes zu denken.
Vor mir sah ich die Kurven und Biegungen des Tunnels. Beim
ersten Mal hatte ich Angst gehabt, gegen die Wände zu prallen, und mich wie ein Mo torradfahrer in die Kurven gelegt. Doch das hatte sich als un nötig erwiesen. Die Kraft, die mich vorantrieb, sorgte dafür, dass ich nirgendwo anstieß. Ich brauchte mich nur zurückzulehnen und die Reise zu genießen.
Bis her war ich mit dem Flume nur zwi schen Denduron und der Zweiten Erde hin- und hergereist. Jetzt flog ich zum ersten Mal zu einem anderen Ort. Ich fragte mich, ob ich an eine Kreuzung gelangen und in eine andere Richtung abbiegen würde. Die Ant wort ließ nicht lange auf sich warten. Es gab keine Abzweigungen. Auch keine Kreuzungen. Ich saß im Schnellzug nach Cloral.
Woher ich das wusste? Ich hörte es. An die seltsamen Töne, die mich auf jeder Reise im Flume begleiteten, hatte ich mich bereits gewöhnt, und so fiel mir das neue Geräusch sofort auf. Es wurde immer lauter, ich nä herte mich ihm also. Erst kurz vor dem Ende des Tunnels erkannte ich, was es war.
Wasser.
Plötzlich begriff ich die Warnung, die mir On kel Press im letzten Moment zugerufen hatte. Ich sollte die Luft an halten und an die Kanonenkugel denken. Na klar, die Kanonenkugel! Weißt du, was ich meine, Mark? Erinnerst du dich an den Freizeitpark in New Jersey, in den uns Onkel Press vor ein paar Jahren mitgenommen hat? Dort gab es eine kurze, schnelle Rutschbahn, die durch einen Tunnel führte und uns dann fünf Meter über einem eisigen See aus spuckte, der mit Schmelz wasser aus den Bergen gefüllt war. Ich glaube, dein Kommentar damals lautete: fies. Wenn ich mich also nicht irrte, hatte Onkel Press mich davor warnen wollen, dass mich das Flume wie eine Kanonenkugel über einem See ausspucken würde. Schnell verschränkte ich die Arme vor der Brust, kreuzte die Beine und wartete auf das Ende.
Es kam sehr bald. Wie ein Torpedo schoss ich mit den Füßen voran aus dem Flume. Gerade eben war ich noch gemütlich durch
den Kosmos geschwebt, doch nun hatte mich die Schwerkraft wieder, und ich fiel in … ja, in was? Alles um mich herum wirkte verschwommen. Mein Gleichgewichtssinn und mei ne Orientierung hatten sich vollends verabschiedet, und ich konnte nur hoffen, auf weichem Untergrund oder im Wasser zu landen.
Ich landete im Wasser. Wie ein Sandsack plumpste ich in die Tiefe. Dank Onkel Press’ Warnung war ich vorbereitet und kam mit den Füßen voran auf. Ich hatte sogar daran gedacht, mir die Nase zuzuhalten, damit mir kein Wasser hineinstieg.
Zum Glück war das Wasser wunderbar warm, wie in Florida. Ich versuchte so schnell wie möglich an die Wasseroberfläche zu gelangen, denn ich wollte wissen, wo ich war und wie das Territorium Cloral aussah. Über Wasser schaute ich mich gespannt um. Ich schwamm in einem großen See, der sich in einer unterirdischen Höhle befand. Keine große Überraschung. Bis jetzt hatten alle Flumes unter der Erde geendet. Doch im Gegensatz zu den anderen war dieser Tunnel in etwa sechs Meter Höhe in die Felswand geschlagen worden. Deshalb war ich wie eine Ka nonenkugel herausgeschossen. Danke für die Warnung, Onkel Press!
Ich konnte keinerlei Öff nung in den Höhlenwänden entdecken; das Wasser, in dem ich trieb, war die einzige Lichtquelle, die die ganze Höhle erhellte.
Sie war ungefähr so groß wie zwei Ten nisplätze, und ihre gewölbte Decke verschwand irgendwo im Dämmerlicht. Das Ganze erinnerte mich an eine alte Kirche. Die Wände waren uneben und bestanden aus sandfarbenem Gestein, das so aussah, als hätten es jahrhundertelange Erosionen geformt. Außerdem gab es unzählige grüne, mit Blättern bedeckte Ranken, die direkt aus den Felsen wuchsen und wie Vorhänge herabhingen.
Am beeindruckendsten wa ren jedoch die un zäh ligen bunten Blumen, die an den Ranken blühten. Anscheinend reichte ihnen das Licht des Sees zum Gedeihen, oder die Blumen in Cloral
brauchten kein Tageslicht. Jedenfalls
Weitere Kostenlose Bücher