Pendragon - Der Anfang
sahen sie wie ein farbenfroher Wandbehang in leuchtendem Rot, tiefem Blau und sattem Gelb aus, der die ganze Höhle bedeckte. Es gab die unterschiedlichsten Formen und Größen, wobei die Blumen völlig anders aussahen als die auf der Zweiten Erde. Einige Blüten waren trompetenförmig, andere erinnerten an die Rotorblätter von Hubschraubern. Eigenartigerweise wirkten sie irgendwie lebendig. Ehrlich, die Blüten öffneten und schlossen sich, als würden sie atmen. Das Wogen dieser vielen tausend Blumen ließ die Höhle wie ein Lebewesen erscheinen. Es war fas zinierend, aber irgendwie auch un heimlich.
Nach einer Weile hatte ich mich wieder gefangen und ließ mich faul im Wasser treiben. Ein cooles Gefühl. Dieser unglaubliche Ort hatte mich regelrecht verzaubert. Wahrscheinlich wäre ich noch stundenlang dort getrieben, wenn ich nicht die vertrauten Töne aus dem Flume hoch über mir gehört hätte. Ich brauchte eine Sekunde, um wieder zu mir zu kommen. Jeden Augenblick würde Onkel Press eintreffen. Das war gut. Allerdings trat ich an genau der Stelle Wasser, an der er landen würde. Das war schlecht. Schnell warf ich mich zur Seite und brachte mich an dem felsigen Ufer in Sicherheit. Im nächs ten Moment hörte ich ei nen ohrenbetäubenden Schrei: »Jaaaa!«
Onkel Press schoss mit dem Kopf voran aus der Öffnung. Der Schwung beförderte ihn in die Mitte der Höh le. Dort schien er eine Zeit lang in der Luft zu schweben, bis ihn die Schwerkraft ergriff. Auf dem Weg nach unten breitete er die Arme aus wie ein Schwan sei ne Flügel. Kurz vor dem Aufprall legte er sie an den Körper und tauchte wie ein Pfeil ins Wasser ein. Es spritzte fast überhaupt nicht. Stilnote Zehn, volle Punktzahl.
Ich zog mich in die Höhe und saß am Ufer, als er wieder aus dem See auftauchte. Mit einem breiten glücklichen Grinsen im Gesicht schüttelte er den Kopf, um die nas sen Haare aus den Augen zu bekommen.
»Genial! Ich liebe diesen Ort!«, rief er vergnügt. »Kopfüber ist die beste Methode!«
Mich beschlich der Verdacht, dass Onkel Press sein Leben als Reisender genoss. Wenigstens gefiel es ihm besser als mir – so viel war klar. Mit zwei schnellen Schwimmzügen war er am Ufer und stemmte sich aus dem Wasser. Er war noch von seiner sportlichen Einlage außer Atem, und so blieb er am Ufer sitzen und sah mich vergnügt an.
»Willkommen in Cloral«, sagte er fröh lich. »Es ist mit Abstand mein Lieblingsterritorium.«
Er hörte sich wie ein Reiseleiter an, dessen Aufgabe es war, mir die Ferien schmackhaft zu machen. Leider hatte ich keine Ferien. Nicht einmal annähernd.
»Also, was ist hier los?«, fragte ich, wollte die Antwort aber gar nicht hö ren. »Gibt es Krieg? Steht eine Katastrophe bevor? Hat Saint Dane wieder Unheil gestiftet, um uns das Leben schwer zu machen?«
Onkel Press zuckte die Achseln. »Weiß ich nicht«, lautete die lakonische Antwort.
Hä? Bis jetzt hatte Onkel Press immer eine Antwort gewusst. Meistens teilte er sie mir nicht mit, aber es war trotzdem gut zu wissen, dass wenigstens einer von uns nicht völlig im Dun keln tappte.
»Du weißt es nicht?«, entgegnete ich. »Warum verheimlichst du ständig etwas vor mir? Wenn wir uns schon in Schwierigkeiten begeben, möchte ich wenigstens Bescheid wissen.«
»Ich verheimliche gar nichts vor dir, Bobby«, sagte er, und es klang auf richtig. »Ich habe wirklich keine Ahnung, was hier los ist. In Denduron lebte ich bei den Milago und wusste, dass ein Bürgerkrieg drohte. Aber ich war erst ein paarmal in Cloral. Soviel ich weiß, ist hier alles in bester Ordnung.«
»Und warum sind wir dann hier?«, fragte ich frustriert.
Onkel Press sah mir fest in die Augen; er war auf einmal ganz ernst.
»Wir sind hier, weil Saint Dane hier ist«, erklärte er nüchtern. »Noch hat er kein Unheil angerichtet, aber das ist nur eine Frage der Zeit.«
Klar. Saint Dane. In Dendu ron war Saint Dane in ein Flume gesprungen und hatte »Cloral!« gerufen, kurz bevor Loor und ich in letzter Sekunde aus dem Bergwerksschacht entkamen. Da die ganze Mine Sekunden später in die Luft zu fliegen drohte, wären wir ihm liebend gerne gefolgt, doch das wusste er zu verhindern, indem er uns ei nen Killerhai durch das Flume schickte. Wir hatten zwei Möglichkeiten: Tod durch den Hai oder die Flucht in die Tiefen des Bergwerks. Wir entschieden uns für die Flucht und entkamen glück licherweise durch ei nen Lüftungsschacht, ehe der ganze Berg in die Luft flog.
Allmählich däm
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