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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Widerspenstige
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von Falmouth Neck geschehen war. Er hatte sie
entjungfert, und jetzt war er völlig durcheinander. Er gab ihr die Schuld
daran, weil ihn sein schlechtes Gewissen nicht zur Ruhe kommen ließ.
    Delia lächelte traurig in die Dunkelheit. Unter seinem rauhen
Wesen und hinter seinen harten und spöttischen Worten schlug ein weiches Herz.
Tyl tat alles, um dieses Herz vor der Welt, sogar vor sich selbst zu verbergen.
    Delia hörte hinter sich Schritte. Die Planken knarrten leise. Da
sie so intensiv an ihn dachte, drehte sie sich mit klopfendem Herzen um und
rechnete fast damit, ihn vor sich zu sehen ...
    »Du solltest im Bett liegen und schlafen«, sagte Anne, und ihre
Stimme klang wie immer schneidend. »Die Sonne geht früh auf in Maine. Brauchst
du noch etwas?« fügte sie hinzu, als Delia sie nur stumm und mit großen Augen
anstarrte.
    »N ... nein danke. Sie haben mir ein so
schönes Zimmer gegeben.«
    Zum ersten Mal im Leben würde Delia in einem Zimmer mit einem
Himmelbett und unter einer richtigen Daunendecke schlafen. Ein
großer Eichenschrank war da für ihre Kleider, obwohl sie nichts außer dem besaß, was sie anhatte. Es gab auch einen offenen
Kamin und einen Lehnsessel, und davor lag ein gehäkelter kleiner Teppich. Als kleines Mädchen hatte sie von einem solchen Zimmer
geträumt und geglaubt, alle Menschen, die in dieser Art Reichtum lebten, müßten
glücklich sein. Aber sie war jetzt todunglücklich und befand sich in einem
kleinen Ort am Rand der Wildnis. Was hatte das alles zu bedeuten?
    Anne legte
ihr sanft die Hand auf den Arm. »Komm. Die Stechmücken werden heute nacht in
Scharen kommen.« Und wirklich, in diesem Augenblick fühlte Delia den ersten
Stich im Nacken. Sie schlug zu.
    Anne lachte. »Was habe ich gesagt? Die Stechmücken hier sind
schlimmer als Vampire. Sie saugen aus jedem Lebewesen den letzten Tropfen
Blut.«
    Sie gingen zusammen zum Backsteinhaus zurück. Eine große, breite
Veranda befand sich auf der dem Meer zugewandten Seite. Neben den Türen standen
Bänke mit hohen Lehnen, die in der Dunkelheit übergroß wirkten. In den Zimmern
oben brannte Licht, das durch die Fenster fiel.
    Der Anblick war tröstlich für Delia. Das Haus versprach Geborgenheit
und Schutz. Es war wie ein Zuhause, obwohl die Bishops sie nur für kurze Zeit aufgenommen hatten. Dies
hier war nichts als eine Station auf dem langen Weg zu einem eigenen Heim. Erst
wenn sie Nat heiratete, würde sie ein Haus, Land und Kinder haben. Aber als sie
kurz die Augen schloß und sich das vorzustellen versuchte, sah sie nicht Nat
Parker an ihrer Seite.
    Sie traten von der Veranda in den langen Flur, der das Haus in der
Mitte teilte. Der Holzboden war mit einem seltsamen schwarzweißen Rautenmuster
bemalt. Wenn Delia zu lange darauf blickte, wurde ihr schwindlig. Eine breite
Treppe mit einem gedrechselten Eichengeländer führte zu den Zimmern nach oben.
    Auf dem Weg zur Treppe blieb Delia stehen. Durch eine offene Tür
fiel Kerzenlicht, und sie sah einen kostbar geschnitzten Glasschrank. Das
Besondere daran war, daß darin statt Hausrat Reihen von Büchern und schwere
Folianten standen. Neugierg ging sie näher und betrat den Raum.
    »Es ist das zweite Wohnzimmer«, hörte sie Annes Stimme hinter
sich. »Ich sage immer, es ist die Bibliothek, wenn ich besonders vornehm sein
will. Das ist jedenfalls mein Reich.«
    »Oh!« rief Delia und staunte über die vielen Bücher. »Gehören sie
alle dem Oberst? Er muß ja genauso gebildet sein wie T ...« Sie verbesserte
sich schnell. »Wie Dr. Savitch. Wissen Sie, daß er in Edinburgh an der
Universität studiert hat? Dort hat er gelernt, so vornehm zu reden, und deshalb
kann er sich wie ein Gentleman benehmen. Und er hat natürlich seine Prüfungen
als Arzt dort abgelegt.«
    Anne lachte in ihrer spröden Art kurz und sarkastisch. »Nun ja,
wenn wir schon über Tyler Savitch reden, dann will ich gestehen, daß er auch
mich manchmal um den kleinen Finger wickelt. Dieser Mann mit seinen
dunkelblauen Augen kann jeder Frau das Herz brechen, und leider weiß er das.
Manchmal stolziert er wie ein Pfau herum und erwartet, daß ihm alle Frauen im
Umkreis von fünf Meilen zu Füßen liegen.« Sie lachte wieder. »Und das tun sie
dann, die dummen Weiber, sogar ich ...«
    Delia mußte über Annes Beschreibung von Tyl lächeln. Ja, so konnte
er manchmal sein.
    »Aber mein Giles«, fuhr Anne fort, »der geht lieber in den Sümpfen
auf die Jagd und hat nichts im Kopf, als so viele Enten und Gänse

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