Penelope Williamson
angelockt.
Wie auch
immer, für sie war er wie eine Erlösung. Sie lachte, bezauberte ihn mit ihrem
Charme und sagte jedesmal: »Sie sind sehr liebenswürdig«, wenn er ihr ein
Kompliment machte. Am Ende des ersten Tanzes wußte Bethel bereits, daß sein
Neuengland-Blut blauer war als Tinte. Außerdem türmten sich auf seinen Konten
und in den Depots die guten Yankee-Dollars.
Bethel
hätte sich jedoch so oder so in ihn verliebt, auch ohne die gesellschaftlichen
Verbindungen und das viele Geld, denn er war groß und schlank, hatte helle,
leicht sonnengebräunte Haut und rabenschwarze Haare. Bei seiner Berührung
stieg ihr das Blut zu Kopf wie im Hochsommer kurz vor einem Gewitter. Alles
knisterte, prickelte und war geladen mit der Spannung von Hoffnung und Gefahr.
Aber Mazie Lane hatte ihre Tochter gut vorbereitet. Bethel würde zugeknöpft
bleiben und die Beine zusammenhalten, bis sie einen Ring am Finger trug.
Er wollte
eigentlich nur drei Tage in Sparta bleiben. Nach zwei Wochen war er so
unsterblich in sie verliebt, daß er vor ihr niederkniete. Aber sie schenkte
ihm nicht sofort das, worum er bat. Nicht bevor sie über die Grenze
gefahren waren und einen Friedensrichter geweckt hatten, der Bethel in aller
Form zu Mrs. William Tremayne machte.
So kam es,
daß Bethel Lane aus Sparta, Georgia, fortan in dem vornehmen Herrenhaus mit dem
Namen The Birches am Poppasquash Point in Rhode Island und den
dazugehörigen Besitzungen lebte. Sie wurde Teil einer Familie, die allgemein
als die »unberechenbaren und verwegenen« Tremaynes bekannt waren. Das
Fundament zu ihrem großen Reichtum hatten die Tremaynes mit dem Sklavenhandel
gelegt, mit Rum und Freibeuterei. Deshalb munkelte man auch, daß auf der
Familie ein Fluch laste. In jeder Generation, so sagte man, habe das Schicksal
zumindest ein Opfer von den Tremaynes gefordert.
Als Kind
der Südstaaten fand es Bethel insgeheim komisch, daß die stolze und ehrwürdige
Yankee-Familie ihres Mannes durch den Handel mit schwarzen Sklaven reich
geworden war. Die Lanes aus Sparta hatten nie Sklaven gehabt. Sie waren viel zu
arm und besaßen in manchen Jahren nicht einmal einen Pflug und erst recht kein
Maultier, um den Pflug zu ziehen. Die Schauergeschichten von einem Fluch
beeindruckten Bethel jedoch nicht, denn in ihrer Familie war das Unglück etwas
so Alltägliches wie Flöhe.
Auch wenn
die Tremaynes einmal verwegen und rebellisch gewesen waren, und selbst wenn
Blut ihren Reichtum befleckte, so fand Bethel, gehörte das der Vergangenheit
an. Außerdem hatten die Tremaynes viel Zeit und Mühe darauf verwendet, sich von
den dunklen Flecken reinzuwaschen. Seit zweihundert Jahren waren die Tremaynes
mit ebenso großer Sorgfalt auf Ehrbarkeit bedacht, wie sie die Blumen aus ihrem
Gewächshaus hegten, die Jahr für Jahr das herrschaftliche Haus schmückten. Als
Bethel eine Tremayne wurde, schwor sie sich, stets und ausnahmslos dieser
Ehrbarkeit zu dienen. Die Lanes waren vielleicht nie etwas Besonderes gewesen,
aber Bethel Lane-Tremayne würde alles tun, um ihrer neuen Familie alle Ehre zu
machen.
Die Tochter eines armen
Baumwollpflanzers hätte sich ein Anwesen wie The Birches – mit Giebeln,
Türmen und Veranden, mit dem schmiedeeisernen Tor, den hellen Birken und dem
leuchtendgrünen Rasen, der sich bis zur Bucht hinabzog – nicht einmal im Traum
vorstellen können.
Sie fuhr in
Williams elegantem neuen Landauer mit Polstern aus Samt und Leder und
vergoldeten Verzierungen durch das riesige schmiedeeiserne Tor und einen Weg
entlang, der so weiß und glatt war wie frisch gefallener Schnee. Später stellte
sie fest, daß die Anfahrt mit unzähligen Muschelsplittern bestreut war. Sie
staunte und war entzückt. Als sie aus dem Süden in den Norden und in dieses
Haus kam, hatte sie tatsächlich das Gefühl, auf dem Mond gelandet zu sein.
Alles um
sie herum war fremd – die Segelboote, die Picknicks, der Strand und die
Menschen mit den langen, schmalen Gesichtern, die unbewegt durch ihre
aristokratischen Nasen sprachen. In dieser seltsamen Welt besaßen die alten und
reichen Familien die Unverfrorenheit, sich als die gute Gesellschaft zu
bezeichnen. Und so lebten sie auch. Ihre Welt wurde von unzähligen Regeln und
Traditionen beherrscht, die sich nicht einmal in Beadles Buch der Etikette fanden.
Hier im
Norden wußte nur William, daß sie aus einer Familie kam, die in der tiefsten
Provinz der Südstaaten in einer Hütte lebte. Ihr Mann brachte sie in eine
goldene Welt. In
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