Penelope Williamson
Werfer
der Mutuals spielte den Ball schließlich ins Aus, und die Zuschauer quittierten
es mit höhnischem Beifall. Emma entdeckte Judith Patterson und Grace Atwater,
die Arm in Arm um den Rand des Spielfelds schlenderten. Sie winkte ihnen zu,
doch die beiden schienen sie nicht zu sehen. Emma wartete einen Augenblick und
winkte dann noch einmal. Sie war sicher, daß die beiden sie bemerkt hatten,
doch sie drehten ihr langsam den Rücken zu und gingen in die andere Richtung.
Emma biß
sich auf die Lippen und starrte in Richtung der leeren Tribüne. In ihren Augen
brannten Tränen, und sie mußte blinzeln.
Ich hätte
es wissen müssen ...
Sie hatte
sich schon längst daran gewöhnt, daß die vornehme Gesellschaft ihre
Freundschaft mit einer irischen Einwandererfamilie für eine sehr fragwürdige
Form von Exzentrizität hielt, vergleichbar etwa mit ihrer Bildhauerei.
Doch offenbar hatte sie diesmal eine unsichtbare Linie überschritten und sich
in den Bereich des schlechten Benehmens vorgewagt.
Emma sagte
sich, daß es ihr nichts ausmachte.
Doch in
Wirklichkeit verletzte sie das abweisende Verhalten. Sie haßte zwar das
gesellschaftliche Leben, doch man hatte sie bisher überall freundlich
aufgenommen und akzeptiert. Sie kannte nur bewundernde, nicht tadelnde und von
Abscheu oder von betonter Gleichgültigkeit erfüllte Blicke. Mittlerweile
bewahrte sie nur das Ansehen ihres einflußreichen Namens und Geoffrey Alcotts
Ring an ihrem Finger davor, aus der Gesellschaft verstoßen zu werden.
In letzter Zeit war auch ihre
Mutter weniger nachsichtig und von den Eskapaden ihrer Tochter äußerst gereizt.
Als Emma an diesem Morgen erwähnt hatte, daß sie mit den McKenna-Kindern zum
Baseballspiel gehen werde, hatten Mamas Augen einen gequälten Ausdruck
angenommen. Ihre Hand begann so sehr zu zittern, daß sie Kaffee auf den
unbelegten Toast verschüttete, der inzwischen das einzige war, was sie sich zum
Frühstück erlaubte.
»Ich kann nichts dagegen tun,
aber ich mache mir Sorgen, wie man es aufnehmen wird, daß du diese irischen
Kinder mit deiner übertriebenen Wohltätigkeit bedenkst. Ein so persönliches Engagement kann kaum schicklich sein.«
In der Hoffnung, sie
abzulenken, reichte Emma ihrer Mutter das Körbchen mit Toast. »Ist dir bewußt,
Mama, daß du Kaffee auf deinen Teller geschüttet hast? Nimm einen anderen ...«
Bethel schob das Körbchen
energisch beiseite. »Du weißt, daß ich das nicht kann, weil man jeden Bissen an
meiner Figur sieht. Du ahnst nicht, welche Opfer ich deinetwegen bringe, Emma
...« Ihre Mutter erging sich danach anschaulich in der Aufzählung ihrer vielen
Opfer, und das Baseballspiel war vergessen.
Wie gut, dachte Emma jetzt, daß
ich nicht erwähnt habe, daß ein katholischer Priester mit von der Partie sein
würde.
Doch das Verhalten von Judith
Patterson und Grace Atwater hatten bei ihr einen Anflug von Besorgnis
ausgelöst. Sie würde nicht für alle Zeiten in zwei Welten leben können. Eines Tages
würde sie jemand – Mama, Geoffrey oder Leute wie Judith Patterson und Grace
Atwater – zwingen, sich zwischen der Emma, die in großem Luxus als eine
angesehene Tremayne lebte und auf der alle Hoffnungen ihrer Familie ruhten,
und der Emma, die Bria McKennas Banacharaid gewesen war, zu entscheiden.
Die Ulmen seufzten und ließen
im heißen feuchten Wind noch mehr die Köpfe hängen. Emma dachte gerade, wie
verlassen, wie leer der Musikpavillon an einem bewölkten Sommertag wirken
konnte, als sie Shay entdeckte, der plötzlich hinter dem Pavillon auftauchte
und über das braune Gras der Gemeindewiese ging.
Er sah
aus, als komme er geradewegs von seinem Fischerboot. Die Hemdsärmel waren bis
zu den Ellbogen hochgerollt, und sein Hemd hatte keinen Kragen. Sie beobachtete,
wie er in seiner lässigen, selbstsicheren Art auf sie zukam. Emma hatte das
Gefühl, ihr bleibe das Herz plötzlich stehen.
Als er vor
ihr stand, legte er den Finger an den Rand seiner Mütze. »Guten Tag, Miss
Tremayne«, sagte er und setzte sich neben sie auf Vater O'Reillys Platz. Er
winkte seinen Töchtern zu. Sie standen umringt von einer Gruppe Jungen vor der
Tribüne und tauschten Baseball-Karten.
Manchmal
stellte sich Emma vor, ihre Haut werde Feuer fangen, wenn er sie nur berührte.
Aber natürlich vermied Shay jede Berührung. Seit dem Abend am Strand, als sie
ihn in den Armen gehalten hatte, während er um seine verlorene Frau weinte,
hatte sie ihn nicht mehr gesehen.
Vater
O'Reilly, der immer
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