Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wagnis des Herzens
Vom Netzwerk:
Augen.
»Barmherziger Gott. Ich dachte, man hätte es herausgefunden.«
    »Wäre das
so furchtbar?«
    Er fuhr herum und starrte sie
an. Sie stellte fest, daß ihn der Zorn ruhig und kalt machte – und hart. Seine
Augen waren so hart wie die Granitbrocken am Strand. »Du weißt, daß es
furchtbar wäre«, murmelte er. »Spiel nicht das kleine Mädchen, Emma.«
    Und wie ein
kleines Mädchen hätte sie plötzlich am liebsten geweint. »Es tut mir leid. Ich
..., ich habe nur keine andere Möglichkeit gesehen, dich hierher zu locken. Du
wärst nie gekommen, wenn ich dich darum gebeten oder dir eine Einladung auf
Büttenpapier geschickt hätte.«
    »Ganz bestimmt nicht. Einer von
uns muß die Vernunft bewahren.« Er spannte die Muskeln an, um sich vom Tor
abzustoßen, und sie legte ihm die Hand auf den Arm.
    »Bitte geh
nicht. Ich habe etwas ... Es würde mir soviel bedeuten, wenn du erlauben
würdest, daß ich es dir schenke. Und es ist nichts Skandalöses dabei, wenn
jemand es herausfinden würde. Mama ist heute mit ihrem Damenkränzchen zum
Mittagessen in Providence, und Maddie schläft nachmittags immer.
    Er blickte
sich um und zog in gespielter Verwunderung die Augenbrauen hoch. »Und ihr habt
in einem so vornehmen Haus kein Personal? Ihr macht alles selbst – ihr putzt
selbst die Marmorböden und poliert die silbernen Teekannen?«
    »Wir haben
fünfzehn Dienstboten«, erwiderte sie und errötete, denn der Ton, in dem sie das
gesagt hatte, klang ganz nach Miss Emma Tremayne. Verlegen lachte sie leise und
sagte dann beschwichtigend: »Ich gehe mit dir nur zur alten Orangerie, nicht in
den Salon oder, Gott behüte, auf mein Zimmer, um mich mit dir in mein
Himmelbett zu legen. Wenn man dich mit mir in der alten Orangerie sieht, wird
man denken, du bist ein Steinmetz, der Steine anliefert. So, jetzt ist Schluß
mit Entschuldigungen, Ausreden und Erklärungen, Shay. Entweder du kommst mit
oder nicht.«
    Sie ging
durch das Tor, ohne sich noch einmal umzudrehen. Zuerst hörte sie seine
Schritte nicht hinter sich auf den zerstoßenen Muschelschalen der Auffahrt,
dann aber doch.
    Das Licht
vom Meer fiel durch die Glaswände der Orangerie, hüpfte und tanzte wie kleine
Wellen auf dem Fußboden mit den schwarzen und weißen Kacheln. Sie hatte gewußt,
daß sie sich freuen würde, ihn hier zu haben, an diesem Platz, den sie zu ihrem
gemacht hatte, der ganz allein ihr gehörte.
    Emma ließ
ihn stehen, damit er sich umsehen konnte, und rollte aus einer hinteren Ecke
ein Gestell herbei. Auf dem Gestell befand sich eines ihrer Werke, das mit
einem Tuch verhüllt war.
    Nervös und
aufgeregt wartete sie auf ihn. Bisher hatte sie ihm nur ihren Körper geschenkt.
Dieses Werk hatte sie mit ihrer Seele geschaffen.
    »Ich habe
es für dich gemacht«, sagte sie. »Nun ja, nein, genaugenommen habe ich es für
mich gemacht. Aber es ist für dich bestimmt. Das heißt, wenn du es haben
willst. Du mußt es nicht annehmen, nur um höflich zu sein.«
    »Wirklich
sehr schön«, sagte er leicht spöttisch. Er blickte auf das mit Ton beschmierte
und mit Farbe bespritzte Tuch, als habe er ein Meisterwerk vor sich.
    Sie hob das Tuch langsam an den
Enden hoch und glaubte zu hören, daß ihr Herzschlag plötzlich die ganze
Orangerie erfüllte.
    Er hob die
Hand und hielt sie in der Luft, ohne die Plastik zu berühren. »Mo Bhean!« flüsterte
er, und seine brüchige Stimme klang noch rauher als sonst. »Bria, Mädchen ...«
    Es war Bria! Brias Gesicht, wie
Emma sich einmal vorgestellt hatte, es zu erschaffen. Es war eine Maske ihres
Gesichts mit den ungewöhnlichen, starken Knochen, die jedoch unsichtbar waren
und nur in der Unendlichkeit des Raums und des inneren Auges existierten, die
eingebettet waren in dem Gesicht, einer Hülle aus Bronze so dünn wie Kreppapier.
    Die Maske
hatte dreifache Lebensgröße und ruhte auf dem kleinsten möglichen Sockel, so
daß dieses Gesicht in der Luft zu schweben schien.
    Shays Hand
begann zu zittern, und er ließ sie sinken. Emma wandte den Blick ab, denn es
tat ihr weh, sein Gesicht zu sehen, die Liebe und den Schmerz zu spüren, die
feucht in seinen Augen glänzten und seinen Mund stumm bewegten.
    Emma ließ
ihn lange Zeit mit Brias Gesicht allein, damit er still mit Brias Geist
zusammensein konnte. Sie blickte durch die mit Salzschlieren verkrusteten
Fenster. Sie beobachtete, wie die Flut allmählich den Kiesstrand verschlang,
wie der leichte Wind die gelben Blätter der Birken bewegte. Die Blätter waren
welk,

Weitere Kostenlose Bücher