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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wagnis des Herzens
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der Zeit ihren Reiz. Wenn
Mama nicht zu Hause war, um mit ihr zu schimpfen, läutete sie bei so schönem
Wetter wie heute nach einem Diener, der sie und ihren Rollstuhl nach unten
brachte, und nach Tildy, ihrer Zofe, die sie durch den Garten schieben mußte.
    An diesem
Tag hatte sie vor, sich zu der kleinen felsigen Anhöhe hinter dem Rasen fahren
zu lassen, von der aus man die Bucht überblicken konnte. Doch dann sah sie
hinter den Scheiben der alten Orangerie den Schatten einer Bewegung.
    »Da ist
Emma«, sagte sie und nickte Tildy über die Schulter hinweg an. »Sie arbeitet an
ihren Plastiken.«
    »Wollen wir
hineingehen und sehen, ob sie Gesellschaft wünscht, Miss?«
    »Ach, ich
weiß nicht ...«
    Maddie wollte nicht stören, falls ihre Schwester in ihre
Arbeit vertieft war. Emma würde nicht unhöflich sein, sondern sie überhaupt
nicht zur Kenntnis nehmen, und das war irgendwie noch schlimmer. Und doch und
doch ...
    Maddie
hatte sich beim Aufwachen an diesem Nachmittag schrecklich einsam gefühlt.
Nein, mehr als einsam, sie fühlte sich innerlich so hohl und leer, als wäre im
Schlaf ein rauher Windstoß durch sie hindurchgefahren und hätte ihr die Seele
aus dem Körper gerissen.
    Aber die Entscheidung wurde ihr
abgenommen. Tildy schob den Rollstuhl bereits an den Geranientöpfen vorbei, die
den Gartenweg säumten, zur Terrasse an der Südseite der Orangerie.
    Tildy sah
es zuerst. Sie stieß einen erstickten Laut aus und brachte den Rollstuhl mit
einem so heftigen Ruck zum Stehen, daß Maddie nach vorn kippte und die
Armlehnen umklammern mußte, um nicht herauszufallen. Maddie gab keinen Laut vor
sich. Ihr stockte der Atem.
    Emma war
mit einem Mann zusammen, den Maddie noch nie gesehen hatte. Nach seinem
Aussehen zu urteilen, war es ein Arbeiter mit zerzausten Haaren, in Hemdsärmeln
und einer abgetragenen Cordhose ... die Hose hing ihm um die Schenkel. Die
Hände ihrer Schwester wirkten blaß auf der dunkleren Haut des nackten Mannes.
    Emma lehnte
rückwärts auf einem Tisch, und der Mann stand zwischen ihren Beinen. Emmas
Bluse und Mieder waren offen, enthüllten ihre Brüste, und der Mann küßte
lustvoll ihre Brustwarzen. Emma hatte den Kopf zurückgeworfen und den Mund weit
geöffnet. Maddie glaubte, das Keuchen ihrer Schwester zu hören. Doch dann wurde
ihr bewußt, daß sie den Wind hörte, der durch die Birken strich – den Wind und
ihren eigenen rauhen Atem.
    Tildy versuchte den Stuhl zu
wenden, doch eines der Räder hatte sich in einem Spalt im Ziegelsteinpflaster
verfangen.
    »Nein!« sagte Maddie heftig. »Laß das.«
    Tildy jammerte. »Aber Miss
Maddie, wir sollten das doch bestimmt nicht mit ansehen. Es ist nicht
anständig.«
    »Sei still und mach das, was ich dir sage.«
    Maddie sah zu, sie sah bis zum
Ende zu. Und als es vorbei war, schlug Maddies Herz so heftig, als sei sie
gerannt, und unter ihren Brüsten sammelte sich der Schweiß, bevor er in
Rinnsalen zwischen den Korsettstäben über ihren Leib rann.
    Doch als sie sprach, klang ihre
Stimme ruhig und entschlossen. »Ich will zurück ins Haus.«
    Jammernd zerrte Tildy am
Rollstuhl und befreite schließlich das Rad aus der Spalte. Der Wind schien sich
plötzlich gelegt zu haben, und Maddie hörte nur noch das Klappern der Räder.
    Meine Räder, dachte sie. Die
Räder sind das einzige Geräusch, das mein Leben macht. Selbst mein Herz gibt
keinen Laut von sich, denn es ist niemand da, um es schlagen zu hören.

Siebenundzwanzigstes Kapitel
    Es war
ein trüber Nachmittag, und die Lampe in dem Schlafzimmer, wo Emma mit ihrem
irischen Geliebten in einem weißen Eisenbett lag, brannte nicht.
    Draußen wehte ein stürmischer
Wind, ein unguter Sturmwind. »Ich werde Bristol verlassen müssen«, sagte er.
    Sie blieb
bewegungslos liegen. Es schien, als habe ihr jemand einen Schlag in die
Magengrube versetzt. Gleich werde ich wieder atmen, dachte sie wie gelähmt,
gleich werde ich wieder leben. Ich brauche nur einen Augenblick der Ruhe, einen
Augenblick ...
    »Donagh
sagt, er hat einen Vetter in New York, und der Vetter kann mir eine Arbeit im
Hafen verschaffen, mit der ich weit mehr verdiene als hier mit dem Fischerboot,
das mir genaugenommen noch nicht einmal gehört.«
    Sie lag neben ihm in seinem
Bett, und Shay eröffnete ihr, daß er sie verlassen werde.
    Emma
atmete, sie atmete wieder im Einklang mit ihrem Körper. Sie lernte, sie wurde
erwachsen. Sie fragte nicht, sie teilte ihm mit. »Ich gehe mit dir.«
    »Emma!«
    Er strich
ihr über die

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