Penelope Williamson
über die
Rückenlehnen von Chippendale-Sesseln gleiten und über die
Goldbronze-Verzierungen von Kommoden. Sie hielt eine silberne Gabel in der
Hand, drückte ihre Wange an ein Satinkissen.
Und sie
dachte, ich kann ohne das alles leben.
Aber dann
blickte sie auf ihre Mutter, die am Frühstückstisch saß und sich nur noch eine
Tasse schwarzen Kaffee erlaubte. Mama wurde immer magerer und hatte ihr Herz an
die Rückkehr ihres Mannes gehängt, der nicht kommen würde, wenn es keine
Hochzeit gab. Eines Tages fand sie Maddie in der Bibliothek. Sie starrte mit
weit aufgerissenen Augen vor sich hin. Ihre Schwester war in die Traumwelt
versunken, die in letzter Zeit mehr und mehr die Herrschaft über sie zu
gewinnen schien. Stuart Alcott hatte Bristol am Tag nach der Gartengesellschaft
wieder verlassen, und Maddie hatte sich seitdem nicht mehr aus dem Haus
gewagt.
Das, dachte Emma, kommt davon,
wenn man den Falschen liebt. Das, so sagt man immer, ist das Ergebnis. Aber was
ist, wenn man es trotzdem will?
Sie hatte
seit damals auf der Wiese nicht mehr bei ihm gelegen. Sie sagte sich, er müsse
fischen. Natürlich würde sie nie mehr so tollkühn sein können, sich heimlich
mit ihm auf seinem Boot zu treffen. Außerdem hatte sie ihre gesellschaftlichen
Pflichten zu erfüllen und bei Tennis, Whist und beim Verkauf von Kuchen für
wohltätige Zwecke den äußeren Schein zu wahren. Und er war nur ein einziges Mal
zu Hause gewesen, als sie die Mädchen und den kleinen Jacko in der Thames
Street besucht hatte.
An diesem
Abend waren sie eine Familie. Es gab Colcannon und Buttermilchbrot zum
Abendessen. Sie saßen zusammen am Tisch mit der abgenutzten braunen
Wachstuchdecke. Als Emma mit der Teekanne in der Hand dastand,
konnte sie sich beinahe dem Gefühl überlassen, sie sei in die Küche mit der
verblaßten bunten Tapete gekommen und habe Brias Platz eingenommen.
Vater
O'Reilly kam auch vorbei, und zu fünft machten sie einen Spaziergang durch die
Ferry Road. Noreen schob Jackos Kinderwagen. Sie und Shay gingen
nebeneinander, aber nicht so dicht, daß ihre Röcke auch nur sein Bein gestreift
hätten.
Die
Zuckerahornbäume standen wie brennende Fackeln vor dem Himmel. Die Farne hatten
einen satten Bronzeton angenommen, die Ried- und Sumpfgräser waren braungelb.
Emma machte sie mit einem alten Yankee-Brauch vertraut. Man behält die ersten
Kastanien des Herbstes in der Tasche, um sich vor Rheumatismus zu schützen. Und
sie sagte den Mädchen, sie sollten die Kastanien, die sie gesammelt hatten,
aufheben und im Winter in die Schneebälle stecken. Vater O'Reilly und die
Mädchen gingen manchmal ein paar Schritte vor ihnen. Shay flüsterte ihr zu:
»Ich will dich.«
Er sah sie mit seinen grünen
Augen an, und die Leidenschaft und Sehnsucht darin erschreckte sie. Emma
spürte, wie sich ihre Brüste gegen die vielen Schichten ihrer Kleidung
drückten. Ihre Beine unter der seidenen Unterhose zitterten, als seien sie
nackt.
»Ich will
mehr«, erwiderte sie.
Er riß sich von ihrem Anblick
los, und sie hörte, wie er schwer und fiebernd Luft holte. »Das ist wie die
Púca«, sagte er.
Sie spürte, wie sich ihr Mund
zum Anflug eines Lächelns verzog. Ihr Herz schlug wild. »Die was?«
»Die Púca
ist ein weißes Feen-Pferd mit Hörnern. Du findest sie nur auf einsamen Straßen
oder vielmehr findet sie dich. Sie bleibt stehen und fragt, ob du auf ihr
reiten willst. Und wenn sie dich auf dem Rücken hat, galoppiert sie mit dir
davon und springt über die nächste Klippe.«
»Ich möchte mit dir über eine
Klippe springen, Shay. Ich glaube, es wäre wie Fliegen.«
Auf dem Rückweg sahen sie den
Mond über der Bucht aufgehen. An diesem Abend blickte sie aus ihrem Fenster,
und der Mond stand am Himmel, als sei er ihr nach Hause gefolgt.
Emma
wartete vor dem schmiedeeisernen Tor auf ihn.
Als er kam, tauchte er aus dem
Birkenwald an der Rückseite des Hauses auf. Er war in Eile. Seine Jacke
flatterte im Wind, der Schlapphut verbarg sein Gesicht. Sie befürchtete, was
sie getan hatte, könnte ihn wütend gemacht haben.
»Ich komme
geradewegs vom Boot«, rief er beim Näherkommen. »Noreen hat mir deinen Brief
gegeben, und ich habe mich sofort auf den Weg gemacht. Ist alles in Ordnung?
Was ist geschehen?«
Sie faltete die Hände auf dem
Rücken und richtete sich auf. »Nichts ist geschehen. Ich will dir nur etwas
zeigen.«
»Zeigen ...?« Er wandte sich
ab, umklammerte die Eisenstäbe und lehnte sich an das Tor. Er schloß die
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