Penelope Williamson
langen Haare bis dorthin, wo die Locken sich um ihre Brüste legten
und über die Hüfte fielen. Jetzt wußte sie, weshalb er sie an diesem Nachmittag
hatte kommen lassen. Die Mädchen waren mit Vater O'Reilly zu einem
Gemeindepicknick gegangen. Jacko in seiner Wiege erhob keine Einwände, als sie
miteinander schliefen. Aber alles, was sie hatten, war irgendwie schon zu Ende,
und sie hatte es nicht gewußt.
»Emma ...
Es ist wunderbar mit uns. Daran gibt es keinen Zweifel.
Und weil es so wunderbar ist, können
wir nicht damit aufhören. Deshalb wird man eines Tages dahinterkommen. Es ist
nicht etwas, das ohne Folgen ewig so weitergehen kann.«
Sie stand
auf und trat ans Fenster, das auf die Bucht hinausging. Es hatte angefangen zu
regnen. Die Wellen schlugen sogar im Hafen gegen die Felsbrocken und die Kais.
Sie legte die Hand an die Glasscheibe, als spüre sie das Schlagen der
Brandung, die das Herz des Meeres war, und verglich es mit dem Schlagen ihres
eigenen, ihres sterbenden Herzens.
»Wenn ich
mit dir gehe, muß nichts zu Ende sein.«
»Ich werde
dir nicht erlauben, mit mir zu gehen.«
Sie
schlang die Arme um ihren Oberkörper, preßte die Finger in die Haut und hielt
sich fest. Die Angst, ihn zu verlieren, stieg in ihr auf. Sie sah sich am Rand
eines Abgrunds, und hinter den Augen lauerte die Verzweiflung.
»Es ist mein Yankee-Geld, nicht
wahr?« Ihre Worte klangen gepreßt. »Du bist eben ein hochnäsiger irischer Snob.«
Sie drehte
sich zum Kampf entschlossen herum. Er hatte seine Hose wieder angezogen, saß auf
dem Bettrand und begann, sie zuzuknöpfen. »Zum Teil, ja. Es ist etwas
schwierig, dein Geld zu übersehen.« Seine grünen Augen glänzten hart. Alles an
ihm war hart. Sie wollte die Hand ausstrecken und die Stelle streicheln, wo
seine Nase gebrochen war. Sie wollte ihn dort küssen und ihm einen Schlag versetzten,
der hart genug wäre, die Nase noch einmal zu brechen. Sie fand es beinahe
unerträglich, ihn anzusehen. Es war ungerecht, daß er der Mann war, der diese
Macht über sie besaß, und daß sie ihn so sehr liebte.
»Willst du
damit sagen, ich muß mein Treuhandvermögen aufgeben, um mit dir zusammensein zu
können? Machst du das zur Bedingung? Glaubst du, das könnte ich nicht, das
würde ich nicht tun?« Als er die Hand hob, rief sie: »Wage nicht zu behaupten,
ich liebe dich nicht genug.«
»Ah, Muire.« Er
stand auf seine typische Art vom Bett auf – wie eine Sprungfeder schnellte er
hoch. »Du kannst dir überhaupt nicht vorstellen, was >genug< wäre. Zur
Liebe gehört mehr, als miteinander zu schlafen,
und zu einer Ehe mehr als diese beiden Dinge. Eine Ehe, das bedeutet
miteinander teilen. Das Teilen von Träumen und Schicksalen, von Geschichte und
Feiern. Das Teilen von so unbedeutenden Dingen wie die Liebe für Corned Beef
und Kohl und von so bedeutenden Dingen wie die Kinder, die man miteinander hat
und erzieht.«
»Aber ich will Kinder mit dir
haben. Ich will den Kindern, die du hast, eine Mutter sein.«
Er strich
sich mit beiden Händen die Haare aus dem Gesicht. »Da haben wir es! Dir ist
überhaupt nicht bewußt, daß es bereits geschieht. Ich rede von einer Sache,
und du hörst eine andere ... Ich kann dir sagen, daß ich schon immer ein Mann
war, der einen Tag Fleisch ißt und am nächsten nur Kartoffeln. Und du hast
nicht die geringste Ahnung, wovon ich rede. Ich habe keinen blassen Dunst
davon, wie es ist, wenn man eine Million Dollar in einem sogenannten
Treuhandfonds hat, und zu dem vielen Geld sagen kann >nur<, als käme dem
keine größere Bedeutung zu als ...« Er nahm ihren schwarzen Samthut von der
alten Kommode, von der die Farbe abblätterte, und hielt ihn hoch. Dann warf er
ihn auf das Bett, griff nach ihren Glacéhandschuhen und hielt sie ihr vor das
Gesicht. »... einem Paar von denen.«
Sie riß ihm
die Handschuhe aus der Hand und warf sie auf den Fußboden. »Du täuschst dich!
In dieser Hinsicht hast du dich schon immer in mir getäuscht. So, wie du
redest, klingt es, als sei ich verwöhnt, selbstsüchtig und eitel. Vielleicht
bin ich das auch, aber ich kann mich ändern. Ich habe mich geändert.«
»Glaubst
du, du hättest dich genug geändert, um mit uns in einer Mietwohnung in einem
armseligen Viertel zu leben, vielleicht eine Arbeit in einer Fabrik zu finden
und zu lernen, was für ein Elend es ist, zwölf Stunden am Tag und sechs Tage in
der Woche an einer Spinnmaschine zu arbeiten?«
»Warum sollte ich das tun
müssen? Ich bin reich, oder
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