Penelope Williamson
ihrer Werke zu
zeigen.
Es schien ihr ohnehin
gleichgültig zu sein, ob sie Zustimmung und Beifall von ihm bekam. Sie war
wieder in diesen entrückten Zustand zurückgefallen, in dem sie scheinbar nicht
einmal atmete.
»Du denkst doch nicht daran,
wieder mit der Bildhauerei anzufangen ...« Er hoffte, sie werde es nicht tun,
denn ihre Nerven waren für diese Art Anspannung noch viel zu schwach.
Emma
tauchte mit einem Schaudern aus ihrer Bewegungslosigkeit auf und blickte durch
das milchige Fensterglas auf die Bucht. Das Wasser schlief glatt und grau unter
dem blauweißen Winterhimmel.
»Nein«, erwiderte sie. »Dazu
wäre sehr viel mehr Mut nötig, als ich im Augenblick aufbringen könnte.«
Auf ihrem
Gesicht lag eine so süße Traurigkeit, daß er sich schmerzlich danach sehnte,
sie zu trösten. Ohne sich ganz im klaren darüber zu sein, was er tat, legte er
seine Hand um ihre Taille und zog sie an sich. Er hatte vorsichtig sein und ihr
nach der Krankheit mehr Zeit lassen wollen. Doch nun küßte er sie, und es war
zu spät, an die guten Vorsätze zu denken.
Ihr Mund
war kühl und weich. Er beendete den Kuß viel zu schnell, um herauszufinden, ob
er eine Reaktion darauf bekommen hatte. Und einen zweiten Versuch wagte er nicht.
»Ich dachte, wir könnten heute
Schlittschuh laufen gehen«, sagte er. »Ich habe gehört, das Eis auf dem
Stadtteich ist jetzt so gut, wie es den ganzen Winter über noch nicht war.«
»Das wäre schön, Geoffrey«,
antwortete sie. Doch er entdeckte in ihrem Gesicht nicht die Regung eines
Gefühls.
Das Sonnenlicht tanzte auf den zarten Spitzenkrägen aus Eis,
die Steine und Bäume umschlossen. Die Glöckchen des Pferdegeschirrs läuteten
eine Melodie wie zu einem Reigen. Der Luftzug, den der Schlitten auf seinem Weg
über den Schnee hervorrief, drückte den grauen Pelz von Emmas Kragen zart und
liebkosend an ihre Wange. Sie bedauerte inzwischen, Geoffreys Vorschlag
angenommen zu haben, denn sie spürte, wie sich immer noch die Angst in ihr
regte. Daheim in dem ruhigen vertrauten Haus hatte sie das Gefühl, wieder sie
selbst zu sein, die junge Frau, die sie vor langer Zeit gewesen war. Es kam ihr
vor, als habe sie sich nach einer langen, gefährlichen und furchteinflößenden
Reise selbst wieder getroffen.
Emma hakte sich bei Geoffrey
unter, lehnte sich an ihn, suchte Halt bei ihm. Er lächelte. Im matten
Winterlicht hatten seine Augen den weichen Glanz von altem Silber.
Emma sagte
sich, daß sie und Geoffrey sich mochten, ohne sich jedoch immer im klaren
darüber zu sein. Aber das schien jetzt nicht mehr so wichtig. Zu den vielen
Dingen, vor denen sie sich fürchtete, gehörte auch, Geoffreys Arm loszulassen.
Sie legten
sich die zusammengebundenen Schlittschuhe über die Schultern und gingen zum
Teich hinunter. Auf Geoffreys Geheiß setzte sich Emma auf einen halbhohen
Stein, damit er ihr die Schuhe zuschnüren konnte.
Geoffrey
und Emma glitten Seite an Seite, Arm in Arm über den Teich. Die schneidende
Kälte rötete Emmas Nase und Wangen, und sie fand den Wind in ihrem Gesicht wundervoll.
Zu ihrer eigenen Überraschung lachte sie, doch das Lachen klang in der dünnen
Luft brüchig.
Am
anderen Ende des Teichs spielten ein paar irische Kinder. Sie schlugen eine
Steinscheibe auf dem Eis hin und her. Dabei schrien und lachten sie und versuchten,
sich gegenseitig mit den gebogenen Stöcken zu treffen. Es schienen Jungen zu
sein, doch Emma glaubte einen Augenblick, Noreen unter ihnen zu sehen.
Sie stieß einen leisen Schrei
aus und wollte den Kindern folgen. Doch Geoffrey ließ ihren Arm nicht los.
»He, Liebling!« rief er. »Wohin willst du?«
Sie ließ sich von ihm
wegziehen. Sie ließ sich von seinen sanften vertrauten Händen zu dem Stein
bringen, wo er ihr die Schlittschuhe auszog. Sie ließ sich von ihm im Schlitten
in Decken hüllen und nach Hause fahren, wo der Stechpalmenkranz an der Tür und
das Lampenlicht, das durch die Fenster auf den Schnee der Simse fiel, sie einladend
begrüßten.
Als sie
die mit Tannengirlanden geschmückte Halle durchquerte, drangen aus dem
Wohnzimmer Lachen und die klimpernde Melodie von Jingle Bells, und sie
folgten den Tönen.
Das Wohnzimmer leuchtete im
weißen Glanz der Kerzen am Weihnachtsbaum und duftete nach Ingwergebäck und
Eierlikör. Maddie saß im Rollstuhl am Kamin. Sie lachte.
Vor ihr stand Stuart Alcott mit
einer Spieldose in der Hand, auf deren Deckel ein Schlittschuhläufer Kreise
zog.
»Stuart!« rief Geoffrey. In seiner
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