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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wagnis des Herzens
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die
Augen fest auf die Knie, aber trotzdem konnte sie die Flut der Tränen nicht
aufhalten.
    In der Nacht nach dem Ball kam ein Sturm auf. Emma wurde
plötzlich wach. Sie war unruhig und seltsam erregt.
    Der heftige
warme Wind und die Nacht lockten sie ins Freie. Das große schmiedeeiserne Tor
warf lange Schatten auf die weiße Auffahrt. Die schwarzen Äste der Birken
schüttelten sich unter dem Himmel, Farne und Schilfgräser raschelten in der
Dunkelheit. Etwas Geheimnisvolles lag in der Luft, aber Emma wußte trotzdem,
was sie unten am Strand finden würde.
    Sie roch das Meer, bevor sie es
sehen konnte, und sie hörte das endlose Seufzen der Wellen. Der Mond erschien
zwischen den Wolken und warf ein fahles Weiß auf die Schaumkronen.
    Weiter draußen, wo das Wasser
schwarz und ölig in der Dunkelheit glänzte, konnte sie die Laternen eines
Fischerboots erkennen. Und aus dieser Richtung näherte sich ein kleines
Ruderboot, in dem sich zwei Männer zu befinden schienen.
    Die Zwänge
und das fest gefügte Leben schienen für Emma auseinanderzubrechen und wie
Fesseln von ihr abzufallen. Es kam ihr vor, als sei sie eine andere Frau, die
dort am Strand stand und auf ihn wartete.
    Sie hörte
das klatschende Eintauchen der Ruder und dann das leise Knirschen, als der Bug
des Boots beim Anlegen gegen einen Pfahl stieß. Einer der beiden Männer
kletterte auf den Steg und schob das Boot zurück. Der Mann war groß. Seine
breiten Schultern verdeckten den Mond und die Sterne. Der Wind ließ seine
dunkle Matrosenjacke wie schwarze Flügel flattern.
    Er lief leichtfüßig über den
Bootssteg, sprang auf den Strand und kam geradewegs auf sie zu. Das Mondlicht
ließ die Narbe auf seiner Wange silbern leuchten.
    Blitzartig dachte sie daran,
daß er ihr etwas antun könnte. Aber sie lief nicht davon, sie gab auch keinen
Laut von sich, selbst dann nicht, als er ihre Hand ergriff und sie mit sich
unter die Birken zog. Seine schwielige Hand war warm.
    Im Schatten der Bäume ließ er
sie los und schob seine Hände in die Hosentaschen. Sie konnte in der Dunkelheit
sein Gesicht nicht sehen. Er war nur ein Schatten in dieser Nacht voller
Schatten.
    »Warum«, fragte er, »laufen Sie
mitten in dieser verdammten Nacht hier unter den Bäumen herum? Noch dazu im
Nachthemd.«
    Sie
blickte auf ihre nackten Füße und hob dann den Kopf. Sie verschränkte die Arme
vor der Brust und gab vor zu frieren. In Wirklichkeit fühlte sie sich entehrt
und entblößt. Das Nachthemd verhüllte sie zwar vom Hals bis zu den Füßen mit
viel Leinen und Spitze, aber unter seinen Blicken hätte sie ebensogut nackt
sein können. »Bei allen Heiligen!« rief er kopfschüttelnd. »Wie alt sind Sie
eigentlich?«
    Die Frage überraschte Emma,
denn sie kam völlig zusammenhanglos. »Zweiundzwanzig. Behaupten Sie nicht, ich
sei zu jung.«
    Er schwieg.
Sie hätte gern sein Gesicht gesehen, aber andererseits verlieh ihr die
schützende Dunkelheit auch ein Gefühl der Sicherheit. Obwohl sie nur ein
Nachthemd trug, fühlte sie sich stark und mutig.
    »Und wie alt sind Sie?«
    »Siebenundzwanzig ...«
    »Ich hätte Sie für älter gehalten.«
    »Wir Iren werden alt und arm geboren.«
    »Darauf sind Sie offenbar
stolz.« Sie erlaubte sich zu lächeln, denn schließlich konnte er es ja nicht
sehen.
    »Miss
Tremayne, Miss Tremayne ... Was soll ich mit Ihnen nur anfangen?« Er schien die
Worte beinahe zu singen. Vermutlich lächelte er auch. »Sie laufen hier in der
Nacht herum, was Sie nicht tun sollten, und sehen Dinge, die Sie nicht sehen
sollten.«
    »Sie
könnten mich ermorden, mir das Herz aus dem Leib schneiden und mich tief im
Wald vergraben, wo niemand meine Leiche findet.«
    Er lachte, und
das bereitete ihr erstaunlicherweise größte Genugtuung. Sie schien die
Fähigkeit zu besitzen, ihn zum Lachen zu bringen. »Aber dann«, fuhr sie fort,
»kann es geschehen, daß mein Geist Sie auf ewig verfolgt. Wohin Sie auch gehen,
ich folge Ihnen mit dem Kopf unter dem Arm, von dem das Blut tropft, und ich
heule den Mond an wie ein Hund.«
    »Ich dachte, ich sollte Ihnen
das Herz aus dem Leib schneiden und nicht den Kopf abschneiden. Dhia, was
sind Sie doch für ein schreckliches kleines Fräulein.«
    »Wenn Sie
beim Gedanken an ein bißchen Gewalt gleich zimperlich werden und in Ohnmacht
fallen, dann könnten Sie mir das Versprechen abnehmen, niemandem etwas von
Ihrem ruchlosen Treiben zu verraten.«
    »Ach, und was für ruchloses Treiben wäre das?«
    »Waffenschmuggel

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