Penelope Williamson
die Naturschönheiten Indonesiens gegangen. Ihr
war nicht bewußt, daß es einer der Samstage war, an denen die Schicht in der
Spinnerei früher als gewöhnlich endete. Erst als die Haustür geöffnet wurde,
und ein Mädchen mit einem roten Lockenkopf sie anlächelte, fiel es ihr wieder
ein. »Guten Tag, Merry«, sagte Emma. »So sehen wir uns wieder.«
Das
Mädchen bekam große Augen, und zwei rote Flecken erschienen auf ihren Wangen.
Sie summte laut und hüpfte auf einem Bein im Kreis herum.
Das
merkwürdige Verhalten verunsicherte Emma. Sie wollte gerade um den Türpfosten
herum ins Haus blicken, als ein älteres Mädchen erschien. Die Kleine war mager
und linkisch. Ihre straff geflochtenen braunen Zöpfe standen wie zwei Henkel
vom Kopf ab. »Warum kommen Sie immer hierher?« fragte das Mädchen.
»Noreen!«
Bria erschien an der Tür und legte ihrer Tochter die Hände auf die
mageren Schultern. »Du solltest dich schämen!« sagte sie und schüttelte Noreen
etwas. »Zeig Miss Tremayne, daß du dich anständig benehmen kannst.«
Das Mädchen
machte einen ungeschickten Knicks. Aber dann hob sie das spitze Kinn und sah
Emma finster an, um auf diese Weise ihre Ablehnung deutlich kundzutun. Emma schloß
die Kleine jedoch sofort in ihr Herz. »Guten Tag, Noreen!« sagte Emma und
lächelte freundlich.
Das Mädchen
klammerte sich an seine Mutter, und Emma sah zornige Tränen in ihren Augen
funkeln. »Merry hat gesagt, daß der Engel heute kommen wird.«
Bria schob ein paar lose Haare
in die Zöpfe ihrer Tochter. Beide Kinder waren noch über und über mit
Baumwollflusen und dem Schmutz der Spinnerei bedeckt. »Wirklich?« sagte Bria.
»Das haben ihr sicher die Feen erzählt.«
Merry
summte laut und schüttelte energisch den Kopf. Noreen hörte ihrer Schwester
aufmerksam zu. Schließlich wandte sie sich wieder ihrer Mutter zu und sagte
schulterzuckend: »Nein, sie hat es einfach gewußt.«
Bria warf Emma einen Blick zu,
zuckte ebenfalls mit den Schultern und sagte: »Die beiden halten Sie für einen
Engel.«
»Das bin ich bestimmt nicht«,
widersprach Emma und errötete. »Schlimmer wäre es, für eine Hexe gehalten zu
werden«, sagte Bria lachend. Auch Emma mußte lächeln.
Bria gab
Noreen einen kleinen Schubs. »Ihr Mädchen müßt jetzt das Geschirr abwaschen.«
Sie schob ihren Arm durch Emmas Arm und ging mit ihr in die Küche. »Bei uns
gibt es heute abend Colcannon. Das ist ein irisches Essen und das
Lieblingsgericht von Shay. Kartoffelbrei und Kohl werden in Milch und Butter
gebraten. Zum Abschmecken kommt noch ein klein wenig Muskatnuß hinzu. Warum
bleiben Sie nicht zum Essen und probieren mein Colcannon?«
Emmas Herz schlug
seltsamerweise plötzlich rasend schnell, und sie schien nicht mehr atmen zu
können. Es war der freie Samstag. Das bedeutete, in den Fabriken und auch auf
den Zwiebelfeldern gab es kurze Schichten. Deshalb aßen die Familien gemeinsam
zu Abend, und das bedeutete ...
»Danke«,
brachte sie mühsam hervor. »Bestimmt schmeckt es köstlich, aber ich sollte
nicht bleiben. Bestimmt wird Ihr ... wird Mr. McKenna bald nach Hause kommen,
und ich ...«
Sie wollte
eine Begegnung mit Brias Mann vermeiden. Sie dachte nicht mehr oft über ihn
nach. Sie konnte wohl kaum in diesen McKenna vernarrt gewesen sein, denn sie
würde Geoffrey heiraten. Sie liebte Geoffrey ... das sagten alle. Jeder sah es
ihr an.
Und der
Ire ... sie gab zu, daß sie ein gewisses Interesse an ihm gehabt hatte.
Trotzdem schämte sie sich noch immer, wenn sie sich an ihre Gedanken und
Hoffnungen in jener Nacht erinnerte. Sie wäre niemals mit ihm hinaus in den
Sturm gegangen, auch wenn er wirklich gekommen wäre, um ihr seine Liebe zu
erklären. Sie war in Wirklichkeit doch nie die mutige Emma ihrer Träume
gewesen.
»Shay
kommt erst lange nach Sonnenuntergang nach Hause, denn jetzt ist die Zeit für
Seebarsch«, erwiderte Bria. Sie trat an den Herd und rührte in einem Topf. »Er
hat sich von Mr. Delaney, dem das Crow's Nest gehört, Geld geliehen, um ein
Fischerboot zu kaufen. Mein Shay ist nicht gerne Schuldner bei einem Wirt, das
können Sie mir glauben, aber er wollte nicht länger auf den Zwiebelfeldern
arbeiten. Natürlich vertraut eine Yankee-Bank einem Iren kein Geld an ...«
Bria ließ
den Kochlöffel in den Topf fallen und schlug die Hände vor das Gesicht. »Dhia, was habe ich gesagt?« Sie drehte sich herum und sah Emma schuldbewußt an.
»Oh, Miss Tremayne, hoffentlich ist der Bankier nicht ein Onkel
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