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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wagnis des Herzens
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Finger imaginäre Muster auf das braune
Wachstuch und unterdrückte ein Lächeln. »Gibt es in Irland kein Ungeziefer?«
    »Ungeziefer in Irland? Das wäre ja noch schöner!«
    Merry
summte, und es klang eintönig, endete aber mit einer Art Frage, denn am Schluß
hob sie die Stimme. Noreen war nicht in der Nähe, um zu übersetzen.
    Bria hatte
Emma anvertraut, daß die kleine Merry seit beinahe drei Jahren kein Wort mehr
gesprochen hatte, seit sie in Irland >gewisse Probleme< gehabt hatten.
Aber Emma wußte, sie bildete sich nicht ein, daß das Mädchen tatsächlich mit
ihr gesprochen hatte, als sie sich an jenem Sonntag vor Pardon Hardy's
Drugstore zum ersten Mal begegnet waren. Sie fand es jedoch klüger, nichts
davon zu sagen. Sie verstand das Bedürfnis des Mädchens, gewisse Dinge als
Geheimnis zu bewahren, auch vor denen, die ihr am nächsten standen.
    Während
Merry summte, ordnete Emma die Blumen in der Tomatendose, die mitten auf dem
Tisch stand. Diesmal waren es weiße Margeriten und wilde Schwertlilien. »Ich
glaube, sie will etwas über Irland wissen. Ist es denn schon so lange her, daß
Sie von dort fortgegangen sind?«
    Bria legte
die Hand auf den Leib. »Ich werde den Tag nie vergessen, als ich Amerika zum
ersten Mal betreten habe, denn der Kleine wird vermutlich genau auf den Tag
neun Monate später zur Welt kommen«, antwortete sie. Aber ihr Lächeln erstarb
plötzlich, und etwas Schweres schien sich auf sie herabzusenken. Schatten zogen
über ihre Augen wie Wolken.
    Bria schwieg, und Emma glaubte
fast zu sehen, wie die traurigen Erinnerungen ihre Freundin überkamen. »Können
Sie mir etwas von Ihrem Leben dort erzählen?« fragte Emma. »Oder ist es zu
traurig?«
    Bria hob die Schultern, als versuche sie
die Last der Kümmernisse abzuschütteln. »A mhuire. Ich könnte Ihnen so
viele Geschichten erzählen, daß Sie taub davon werden«, sagte sie langsam.
»Meine Geburt, zum Beispiel, wurde von meiner Familie nicht gerade als ein
Segen betrachtet, da mein Vater drei Wochen zuvor am Schwarzfieber gestorben
war. Von da an gab es nur noch drei – meine Mutter, meinen Bruder und mich. Wir
haben für Squire Varney gearbeitet ... alles, was es auf einem Bauernhof zu tun
gab. Aber meistens mußten wir mit dem Spaten die Schollen auf den
Kartoffelfeldern zerschlagen.«
    Sie unterbrach das Kämmen und lächelte
bitter. »Unsere Shibeen  ... im Vergleich dazu wäre dieses Haus hier ein
Palast. Unsere Hütte hatte nur vier Mauern mit einem Strohdach. In der Mitte
des Dachs war eine Öffnung, durch die der Rauch abzog. Es gab keine Fenster,
deshalb war es im Innern immer dunkel. Eine Zeitlang hatten wir ein Schwein. Das
lebte mit uns im Haus.«
    Emma lachte und hielt schnell
die Hand vor den Mund. »Das kann doch nicht wahr sein.«
    »Doch, und
das Schwein wurde besser ernährt als wir. Mam sagte immer, das Schwein sei mehr
wert als Donagh und ich zusammen, denn uns könne man nicht schlachten, um Speck
daraus zu machen.«
    Emma lachte wieder, und Bria
stimmte ein. Merry quietschte vor Vergnügen. Sie lachten und waren glücklich.
    Bria stieß
schließlich einen langen Seufzer aus, und Emma sah, daß sie sich jetzt an
schönere Dinge erinnerte. Sie hob den Kopf und blickte auf den Druck, den Emma
ihr geschenkt hatte. Das Bild hing jetzt über dem Weihwasserkessel.
    »Sah das
Dorf in Irland so aus wie dieses da?« fragte Emma.
    »Bestimmt
war es dort genauso grün. Aber es war ein rauheres Land. Unser Dorf, unser Clachan, wie wir sagen, hieß Gortadoo. Das bedeutet auf englisch soviel wie
>schwarze Felder<. Es liegt auf einer Landspitze in der Grafschaft Kerry
direkt am Meer. Aber der Fischfang ist nicht so gut, wie man glauben könnte.
Trotzdem muß man nicht hungern, wenn man ein Boot und Netze hat. Die Erde ist
steinig, und außer ein paar Kartoffeln wächst wenig. Es regnet viel, und deshalb ist alles grün. Grün gibt es in allen
Schattierungen von hell bis dunkel ... ein Regenbogen von Grün ...« Bria
unterdrückte ein Schluchzen. »Hören Sie sich nur an, wie ich Ihnen meine Heimat
beschreibe. Da fragt man sich natürlich, warum ich so sehr geweint habe, als
ich sie verließ.«
    »Warum
sind Sie ausgewandert?« Emma bemerkte nicht sofort, daß ihre Frage mit
Schweigen beantwortet wurde. Auch Merry, die mit von Petroleum tropfenden
Haaren zwischen den Knien ihrer Mutter stand, war plötzlich mucksmäuschenstill
geworden. Brias Gesicht wurde blaß, und auf ihrer Stirn standen

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