Penelope Williamson
Schweißperlen.
Dann
hustete sie rauh und erstickt. Sie griff röchelnd nach dem Taschentuch und
hustete noch einmal. Ihr Gesicht verschwand völlig hinter dem Taschentuch, und
Emma glaubte, Bria wolle so ihre Tränen verbergen.
Emma wandte den Blick ab.
»Verzeihen Sie, daß ich Sie an die schweren Zeiten erinnert habe.«
Bria schob
das Taschentuch in den Ärmel ihrer zimtbraunen Bluse. »Ach was!« sagte sie, und
es klang beinahe wie ein Lachen. »Niemand redet lieber als wir Iren, am
liebsten sprechen wir über schwere Zeiten.«
Sie
lächelten sich an. Das Lächeln wurde ernster, veränderte sich, und dann wurde
daraus etwas anderes. Es wurde zum Ausdruck eines Verstehens, das für Emma so
spürbar war, als würden sie sich an den Händen fassen.
»Bei Gott«, seufzte Bria und
beendete damit das lange, wohltuende Schweigen. »Ich muß Merry den Kopf
waschen.«
Sie stand auf und schob das
Kind an den Schultern zum Waschstand. »Wären Sie so freundlich, die Wäsche
umzurühren?«
Im ersten Augenblick hatte Emma
nicht begriffen, daß Bria mit ihr gesprochen hatte. Doch dann versuchte sie
nicht einmal, ihr Lächeln zu unterdrücken, als sie aufstand und zum Herd ging.
Wenn Bria sie bitten konnte, Hausarbeiten zu übernehmen, dann mußten sie wirklich
Freundinnen geworden sein.
Doch Emma zitterte ängstlich,
als sie den Deckel von dem dampfenden Kupferkessel nahm, denn so etwas hatte
sie noch nie im Leben getan. Sie umfaßte den
Waschschlegel mit beiden Händen und begann zu rühren – das heißt, sie
versuchte es. Überrascht stellte sie fest, wie schwierig das war. Die nassen
Leintücher ließen sich kaum von der Stelle bewegen.
Der Dunst
der Seifenlauge schlug ihr ins Gesicht und drang in ihre Augen. Sie blinzelte
und blickte aus dem Fenster ... und sah Shay McKenna. Er kam auf den Platz
hinter dem Haus gerannt und blieb dort stehen. Sein Brustkorb hob und
senkte sich heftig. Er trug kein Hemd, und selbst aus der Küche sah Emma den
Schweiß auf seiner nackten Haut. Sein muskulöser Oberkörper war von der Sonne
gebräunt.
Sie drehte den Kopf zur Seite
und hörte auf, die Wäsche umzurühren. Ein seltsames Gefühl hatte sie erfaßt.
Ihre Haut schien plötzlich so gespannt, als sei sie zu eng für ihren Körper.
Das macht
die Erinnerung an jene Nacht, dachte sie beklommen, an meine geheimen und
törichten Gedanken. Kein Wunder, daß sein Anblick ihr ein gewisses Unbehagen
bereitete.
Bria trat hinter sie und
blickte ebenfalls aus dem Fenster. »Er ist wieder gelaufen«, murmelte sie.
Shay hatte die Hände in die
Seiten gestemmt und blickte auf die Straße, aber jetzt drehte er sich zum Haus
um.
Emma suchte schnell Schutz
hinter den gelben Baumwollvorhängen und fragte errötend: »Aber vor wem läuft er
davon?«
»Er läuft
nur im Kreis herum ohne ein Ziel. Typisch Mann.«
Bria trat
näher ans Fenster und berührte die Scheibe. Sie tat es so sanft und liebevoll,
als liebkose sie ihren Mann, und Emma beobachtete erstaunt, wie sich das
Gesicht ihrer Freundin veränderte. Es strahlte plötzlich vor Liebe wie die
helle Sonne.
Emma wurde
in diesem Augenblick bewußt, daß sie Geoffrey noch nie so angesehen hatte.
Würde sie das jemals können? Sie bezweifelte es, denn er hatte ihr Herz noch
nie mit so starken und tiefen Gefühlen erfüllt.
»Er ist im Training, wie er es
nennt«, erklärte Bria. »Er entwickelt Ausdauer für eine Zurschaustellung der
>Technik des Faustkampfs<. Das Ereignis soll am Vierten Juli hier in
Bristol stattfinden.«
»Aber warum das?« rief Emma
erschrocken. Sie wußte, Boxen war barbarisch, gewalttätig und gesetzlich
verboten. Nur der Abschaum der Gesellschaft gab sich damit ab.
»Es geht natürlich um Geld ...
zumindest behauptet er das.« Bria nahm die Hand vom Fensterglas, ballte sie zur
Faust und ließ sie sinken. »Seamus McKenna muß so oder so immer für etwas
kämpfen. Ich frage mich manchmal, ob Männer nur deshalb kämpfen, weil sie den
Kampf einfach lieben.«
Sie ging
zum Waschstand zurück, wo die kleine Merry immer noch wartete. Das Kind
verhielt sich merkwürdig still. Inzwischen tropfte allerdings Wasser anstatt
Petroleum aus seinen Haaren. Bria schlang das Handtuch um den Kopf ihrer Tochter
und rieb ihr die Haare trocken.
Emma
riskierte wieder einen Blick aus dem Fenster. Der Mann im Hof hatte ein blaues
fadenscheiniges Hemd übergezogen, es aber sofort durchgeschwitzt. Es klebte ihm
an Schultern und Rükken.
Er hat den Körper eines Kämpfers,
dachte sie,
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