Penelope Williamson
standen herum und tranken aus Blechbechern und Konservendosen. Hinter
der Theke bemerkte Emma ein Schild. Der Wirt offerierte für drei Cents soviel
Bier, wie man trinken konnte, ohne dabei zu atmen.
Emma las
das Schild zweimal, ohne seinen Sinn enträtseln zu können. Aber dann sah sie
einen Mann. Er lag neben einem der Fässer auf dem Boden und hatte einen
Schlauch im Mund. Sein Oberkörper bewegte sich ruckhaft, und er schluckte
schnell, während ein anderer Mann in einer langen Lederschürze über ihm stand
und die Hand am Bierhahn hatte. Zweifellos würde er den Hahn zudrehen, wenn
sein Gast Luft holen mußte.
Bria hatte keinen Blick übrig
für den Saloon. Sie ging zielstrebig zum Hinterzimmer. Hinter einem
Glasperlenvorhang, der den Eingang verdeckte, hörte man Pfiffe und Geschrei
sowie klatschende Geräusche wie beim Fleischhauen.
Vor der Tür stand ein großer
breitschultriger Mann. Er trug einen Priesterkragen und eine Soutane. Emma
mußte nicht fragen, wer das war. Die hohen Wangenknochen, die Brias Gesicht
soviel Kraft verliehen, machten ihren Bruder zu einem ungewöhnlich gutaussehenden
Mann.
Sein Blick wanderte von Bria zu
Emma, und seine Augen wurden groß. »Bria, bei allen Heiligen, was ...«
»Was hast
du hier zu suchen, Vater O'Reilly?« unterbrach ihn seine Schwester. Sie
musterte ihn zornig von oben bis unten. »Bei allen Heiligen! Und warum
überrascht es mich nicht, dich hier zu treffen? Sag mir nicht, du kommst in das
Crow's Nest, um dem Poitín deinen Segen zu erteilen und ihn in
Weihwasser zu verwandeln.«
»Ach, Bria
...« Er schob ihr die Locken aus dem Gesicht. »Es ist nur ein bißchen
Übungsboxen. Der Sandsack ist ja gut und schön, aber Sand schlägt nicht zurück.
Der Junge braucht etwas Praxis.«
Sie schob
seine Hand beiseite. »Dem Jungen muß man tüchtig die Ohren langziehen und dir
auch.« Sie teilte den Glasperlenvorhang und wollte an ihm vorbei. »Laß mich
durch, Donagh, sonst gibt es wirklich Ärger.«
In dem
Hinterzimmer warfen zwei Zirkuslampen gespenstisch flakkernde Lichtbogen durch
den dichten blauen Tabakqualm. Lärmende und grölende Männer und Frauen drängten
sich vor einem mit Seilen abgetrennten Platz, wo zwei keuchende Männer boxten.
Shay kämpfte gegen einen Mann mit riesigen Ohren und buschigen dunklen
Augenbrauen, die sich wie eine Hecke über seine Stirn zogen.
Beide Männer hatten nackte
Oberkörper, und man sah bereits deutlich die Spuren ihrer Schläge. Sie hatten
an Brust und Schultern blaue Flecken und rote Striemen von den nackten Fäusten.
Shay blutete über einem Auge. Die Nase seines Gegner war so geschwollen und
blaurot wie eine überreife Pflaume.
Emma schlug
vor Entsetzen die Hand vor den Mund, um einen Aufschrei zu unterdrücken. Bria
gab keinen Laut von sich. Ihre Augen fixierten Shay, und wie immer bei seinem
Anblick verriet ihr Gesicht, wie sehr sie ihn liebte. Aber in ihren Augen
zeigten sich angstvolle Erinnerungen. Emma hatte an diesem Tag bereits gelernt,
daß man für die Liebe manchmal einen schrecklich hohen Preis bezahlte.
Shay mußte
die Anwesenheit seiner Frau gespürt haben, denn er blickte kurz in ihre
Richtung. Er ließ seine Deckung einen Augenblick lang außer acht, und sein
Gegner landete blitzschnell einen Kinnhaken. Shays Kopf flog krachend zurück.
Er schwankte und sank auf ein Knie.
Emma stieß
einen Schrei aus und drängte sich vorwärts, als könne sie ihm helfen. Aber Bria
hielt sie am Arm fest. Emma spürte, wie ihre Freundin zitterte. Sie erinnerte
sich an Brias Worte, an den Schmerz in ihrer Stimme, als sie ihr davon erzählt
hatte, wie sie jeden Sonntag im Sommer mitansehen mußte, wie Shay blutig
geschlagen wurde. Und wieder durchzuckte sie der Gedanke, wie schmerzvoll und
schwer es sein konnte, einen Mann, manche Männer zu lieben.
In diesem Augenblick trat
jemand, der als Schiedsrichter fungierte, zwischen die Kämpfenden. Er läutete
eine Kuhglocke und trennte die beiden.
Shays
Gegner zog sich in eine Ecke des Rings zurück und hockte sich auf ein Faß. Shay
blieb noch einen Augenblick knien. Er stützte einen Arm auf den Oberschenkel,
sein Brustkorb bewegte sich ruckartig, als er den Kopf schüttelte und nach Luft
rang. Dann stand er langsam auf und ging in seine Ecke.
Brias
Bruder erwartete ihn dort mit einem Handtuch. Der Priester massierte Shay die
muskulösen Schultern und redete aufmunternd auf ihn ein. Shays Nasenflügel
bebten, seine Brust hob und senkte sich, während er keuchend
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